Taxi nach Schwanensee

„Plopp!“, das „Forum der freien Hörspielszene“, feierte am Samstag sein fünfjähriges Bestehen. Den „Plopp!“-Award gewann dieses Mal Joachim Rohloff mit „Folgen Sie den roten Punkten“. Ein sehr persönlicher Erlebnisbericht

Samstag, Akademie der Künste, 18.15 Uhr. Am Eingang bekommt man einen Stempel, denn hier, beim „Plopp!“-Award, stimmt das versammelte Publikum ab. Der Saal ist verdunkelt, die Moderatorin Ina Kleine-Wiskott, Plopp!-Award-Gewinnerin des Vorjahres, sitzt auf einer Hollywoodschaukel, die Bühne ist mit Stellkästen und abgerollten Tonbändern dekoriert.

„Plopp!“, das „Forum der freien Hörspielszene“, feiert an diesem Samstag sein fünfjähriges Bestehen. Nach einigen Panels und Vorträgen wird nun der Preis für ein unabhängig produziertes Kurzhörspiel vergeben. Der Saal der Akademie ist sehr gut gefüllt, Leute aus der freien Radioszene sind da, HörspielproduzentInnen und Laien, die einen schönen Hörabend im Dunkeln genießen wollen. Eines der zehn Hörstücke von vier bis zwanzig Minuten Länge hat mein Freund Joachim Rohloff eingereicht. Ich versuche ihn im Saal zu sehen, kann ihn jedoch nirgends ausmachen. Das erste Stück „Relativ langsam“ vom Markus van Weil ist so lala, ein Hörspiel über Zeitwahrnehmung. Es arbeitet mit dem Mickey-Mouse-Effekt, was heißt, das manchmal die Abspielgeschwindigkeit erhöht wird, daher piepst der Sprecher vor sich hin. Einige Leute lachen. Man will offensichtlich lachen.

Doch es gibt auch ernstere und experimentellere Stücke zu hören, etwa den „Hörfilm“ „Spielmax“ von Jana Debrodt, der mit verschiedenen Sounds und dem berüchtigten „Schwanensee“-Motiv spielt, das auf einer Spieluhr abgespielt wird. Man solle „nicht so viel dabei denken“ hat Moderatorin Kleine-Wiskott vorher betont, warum, bleibt offen. Dann folgt das Stück „Taxi“ von Tom Heithoff, in dem ein verwirrter Spieler im Taxi herumgefahren wird. Auch hier wird gelacht.

In der Pause treffe ich Joachim, er ist nervös. Sein Stück, das ich bereits kenne, folgt nach der Pause. Keine große Konkurrenz, sagt Thomas, und auch Jan und Uta, die das Stück auch schon gehört haben, sehen ihn als Sieger. Nach der Pause aber wird die Konkurrenz härter. Joachims Stück ist eine Montage aus zig Verkehrsnachrichten. Wir hören von Orten wie Kleinbockem und Norderstedt-Süd, von 800 Kilometern Stau, und mehrfach werden wir gebeten: „Folgen Sie den roten Punkten“. So heißt dieses viertelstündige Hörstück denn auch. Joachim hat über ein Jahr gesammelt, nun erntet er viele Lacher. Die anderen Stücke sind ebenfalls oft lustig, „Wenn etwas fehlt“, ein Stück, das eine WG aufgenommen hat, ist dilettantisch, doch nicht ohne Charme. Die Macher, die Ali, Flo, Creutzi, Kon und Christian heißen, belegen später den zweiten Platz im Wettbewerb. Ebenfalls stark ist „Los Bambi“ von Robert Schoen, ein Stück über die amerikanisch-mexikanische Grenze, und Claas Morgenroths „Ich schriebe ein Hörspiel und ihr nicht“.

Es wird abgestimmt. Draußen, bei einer Zigarette, beruhigen wir Joachim, bei ihm hat es viel Applaus gegeben. Ina Kleine-Wiskott, schon als Moderatorin völlig überfordert, verliert bei der Preisverleihung endgültig den Faden. Immerhin bittet sie den wunderbaren Hermann Bohlen auf die Bühne, der mit seiner schlaksigen Art die Show auffängt. Ein Zuruf aus dem Publikum verhindert, dass Kleine-Wiscott verliest, wer die wenigsten Stimmen bekommen hat. Wir, also Thomas, Jan, Uta und ich kauen derweil an den Nägeln. Joachim aber steht mit den anderen Produzenten auf der Bühne.

Nach langem Geplänkel dann steht fest – er hat gewonnen! Ein Großteil des Publikum jubelt, vielleicht lag er weit vorn. Eine Dame vom Hörverlag überreicht ihm einen übergroßen Scheck, 1.500 Euro, nicht viel für so viel Arbeit. Aber die Anerkennung! Langsam macht sich ein Strahlen auf Joachims Gesicht breit. Und alle trinken erst einmal was, nach der ganzen Aufregung.

JÖRG SUNDERMEIER