Der Vierzig-Sekunden-Prozess

Bei einer Bundeswehr-Ausstellung im Mai vergangenen Jahres hatte Maike V. einen Panzer angegriffen. Gestern war der Prozess am Amtsgericht – ohne sie

„Mein Gewissen zwingt mich zu solchen Aktionen, weil Deutschland Angriffskriege führt.“

Bremen taz ■ Ihren eigenen Prozess hat gestern die Angeklagte Maike V. verpasst. 20 Minuten nach dem festgesetzten Verhandlungstermin kam sie atemlos ins Amtsgericht gestürzt – aber da war alles schon vorbei, das Urteil gesprochen, der Gerichtssaal leergefegt. Ganze vierzig Sekunden hatte der Prozess ohne die Angeklagte gedauert: Der Staatsanwalt beantragte eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à zehn Euro. Richterin Ellen Best verhängte die Strafe. „Damit ist die Sitzung geschlossen.“ Der Strafbefehl wird der Angeklagten schriftlich zugestellt.

Maike V. wurde in Abwesenheit wegen Sachbeschädigung verurteilt. Ihre Tat: Bei der Bundeswehrausstellung „Unser Heer“ im Mai vergangenen Jahres auf der Bürgerweide hatte die Friedensaktivistin rote Farbbeutel auf einen der ausgestellten Panzer geworfen – und der war danach nur schwer wieder sauber zu bekommen.

„Da kann ich mich noch nicht mal verteidigen, nur weil ich mich bei der Parkplatzsuche verfranst hab‘“, ärgerte sich Maike V. über den verpassten Prozess. Sie wollte sich selbst verteidigen – deshalb gab es auch keinen Anwalt, der an ihrer Statt hätte pünktlich zur Stelle sein können. Nun will die 39-Jährige Einspruch gegen das Urteil einlegen. Nicht, weil sie ernsthaft mit einem Freispruch rechnet, sondern weil sie dem Gericht einmal darlegen möchte, warum sie ihre Tat für richtig hält.

„Mein Gewissen zwingt mich zu solchen Aktionen, weil die Bundesrepublik Angriffskriege wie den Kosovo-Krieg vorbereitet und durchführt“, begründete Maike V. ihre Tätlichkeit gegen einen Panzer. Sie beruft sich dabei auf Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes. Dieser Artikel besagt, dass alle Deutschen das Recht auf Widerstand haben, wenn die Ordnung des Staates grundsätzlich in Gefahr ist. Und dies sei der Fall, meint Maike V., „weil Deutschland andere Länder angreift, obwohl es doch heißt: von deutschem Boden soll nie wieder ein Krieg ausgehen“, so ihre Rechtsauffassung.

Auch wenn das Gericht das Urteil bestätigt, möchte die Friedensbewegte die Geldstrafe nicht bezahlen – sondern die Strafe im Gefängnis absitzen: „Bei den Umständen, die wir heute in unserem Staat haben, ist das doch ein ehrenvoller Platz.“Dorothea Siegle