Aktionen überdenken

Aktivisten im Wendland haben einen Unfall beim Castor-Transport schon immer befürchtet

AUS LÜCHOW-DANNENBERG JÜRGEN VOGES

Nach der Ankunft des achten Castor-Transports im Zwischenlager Gorleben und zwei Tage nach dem tragischen Tod eines jungen Atomkraftgegners in Frankreich überwand auch die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg gestern ihre Sprachlosigkeit. Die beiden Sprecher der BI, Dieter Metk und Francis Althoff, kündigten in einer gemeinsamen Erklärung an, man müsse und werde angesichts des tragischen Todes von Sébastian Briard „Aktionsformen und Risiken neu überdenken“. Kein weiterer Atomtransport könne „so sein wie zuvor“.

Als die BI eineinhalb Stunden nach der Ankunft der zwölf weiteren Castoren im Zwischenlager vor der Presse den Protest bilanzierte, waren es allerdings nicht die beiden aktuellen BI-Sprecher, sondern der ehemalige Sprecher Mathias Edler, der an den alten Grundsatz der Bürgerinitiative erinnerte, dass bei von ihr veranstalteten oder mitgetragenen Aktionen keine Menschen zu Schaden kommen dürfen. Edler wies zwar darauf hin, die Bürgerinitiative selbst habe nie zu Aktionen auf Gleisen aufgerufen. Sie habe als gemeinsames Dach aller wendländischen Widerstandsgruppen dennoch eine Verantwortung dafür, dass die notwendigen Diskussionen über die Gefahren von Ankettaktionen auf Schienen geführt würden.

Weitaus klarer als die Bürgerinitiative äußerte sich zu den Risiken von Schienenaktionen die keineswegs für Sanftmut bekannte „Bäuerliche Notgemeinschaft“, der Zusammenschluss der Bauern innerhalb des wendländischen Widerstandes. Die fünf Landwirte, die sich in der Nacht zum Dienstag auf der Nordroute von Dannenberg in einem an einem Trecker festsitzenden Betonklotz anketteten, sagten klar, sie wären nicht zum Anketten „auf die Schienen gegangen“. Ihre Aktion sei so geplant gewesen, „dass Menschen nicht zu Schaden kommen konnten“. Immerhin war die Aktion zudem so bauernschlau eingefädelt, dass weder die Spezialisten der Polizei noch die des Bundesgrenzschutzes die Landwirte von Trecker und Betonklotz trennen konnten. Sie befreiten sich schließlich selbst, nachdem der Castor-Transport eine Ausweichroute nahm und im Zwischenlager angekommen war.

Auf die Risiken von Ankettaktionen auf den Gleisen hatte zuvor schon Robin Wood warnend hingewiesen, obwohl die Umweltorganisation sich selbst durch spektakuläre Schienenblockaden einst einen Namen machte. Robin-Wood-Sprecher Jürgen Sattari wies auf die ungleich größeren Gefahren hin, die bei Aktionen auf im normalen Güterzugtempo befahrenen Strecken bestehen. Anders sei die Situation auf den 56 Bahnkilometern zwischen Lüneburg und Dannenberg, die bei Castor-Transporten für den normalen Verkehr gesperrt werden und an denen dann ohnehin „jeder Baum ein Polizist“ sei. Ähnlich äußerte sich auch die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms, die einst die BI Lüchow-Dannenberg mit gründete. Der niedersächsische Grünen-Landesvorstand und auch die Grünen-Landtagsfraktion in Hannover verlangten wie auch Landesinnenminister Uwe Schünemann (CDU) von den wendländischen AKW-Gegnern, künftig auf Aktionen auf Bahnstrecken zu verzichten.

Für viele langjährige Aktivisten aus dem Wendland ist mit dem tragischen Unfall „genau das passiert, was immer unsere Befürchtung war“. Auch deswegen trafen der Trauerflor an den Blockadefahrzeugen und die schwarzen Wimpel auf den Trauerkundgebungen die Stimmung der Demonstranten.