Chronik jener „Ereignisse“, Teil 1
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Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg. Am selben Tag begann in der algerischen Stadt Sétif ein Aufstand, dessen Niederschlagung zehntausend Algerier mit dem Leben bezahlten. Obwohl General De Gaulle den Kolonien 1944 „Reformen“ und eine „Assoziation“ mit dem Mutterland versprochen hatte, blieb es in Algerien (das Frankreich 1830 erobert hatte), auch nach 1945 beim Kolonialstatus. In den wenigen Schulen war die arabische Sprache zwar zugelassen, jede nationale Bewegung indes verfolgte die Polizei unerbittlich.

Einen absehbaren Erfolg des „Mouvement pour le triomphe des libertés démocratiques“ (MTLD) des nationalistischen Politikers Messali Hadj bei der Wahl zur „Assemblée algérienne“ verhinderte das Kolonialregime im April 1948 mit massiver Wahlfälschung. Die knappe Million Europäer behielt im Pseudoparlament eine Mehrheit über die fast neun Millionen Algerier.

Im März 1954 spaltete sich das „Comité révolutionnaire pour l’unité et l’action“ (CRUA) vom MTLD ab und bildete eine kleine Gruppe für den bewaffneten Kampf. Bereits ein halbes Jahr später löste sich die CRUA auf und wurde neu gegründet unter dem Namen „Front de libération nationale“ (FLN) mit einem militärischen Flügel, der sich „Armée de libération nationale“ (ALN) nannte. Beide Gruppen vertraten einen vagen Nationalismus, waren aber auch für panarabische Ideen empfänglich. Zusammen verfügten sie über kaum eintausend Mitglieder und ein paar Dutzend Jagdgewehre.

In der Nacht zum 1. November 1954, dem katholischen Feiertag Allerheiligen, explodierten in dreißig algerischen Städten Brandsätze und Bomben. Für das offizielle Frankreich und große Teile der Presse handelte es sich dabei nicht um einen beginnenden Krieg, sondern um „Ereignisse“ oder „eine Rebellion“, die mit militärischen Mitteln „befriedet“ werden müsse.

In Paris regierte damals Pierre Mendès France mit einer großen Koalition aus Parteien von der rechten Mitte bis zu den Sozialisten. Der linksliberale Republikaner, der Frankreich modernisieren wollte, wurde sich schnell klar, dass die „Algerienfrage“ entweder durch „eine Politik der Entspannung und der Reformen“ gelöst oder durch „eine Politik der Repression und der Gewalt“ verschärft werden konnte. Zwei Tage nachdem er am 3. Februar 1955 die erste Option öffentlich als einzig vernünftige bezeichnet hatte, wurde er gestürzt.

Auf die Regierung Mendès France folgten fünf weitere Regierungen in drei Jahren. Alle Regierungen setzten allein auf Repression. Die Truppenstärke wurde von zunächst 50.000 (Ende 1954) auf 450.000 Mann (Ende 1957) erhöht.