1 $ Einkommen – 160 $ Schulgeld

Bildungskrise in „Dritter Welt“: Unicef will Schulgebühren weltweit abschaffen

Kibera ist ein gutes Beispiel. Etwa einen Dollar beträgt das Durchschnittseinkommen einer Familie im Slum der kenianischen Hauptstadt Nairobi. 133 Dollar kostete allein die Einschreibung eines Kindes an einer Schule bis Ende des vergangenen Jahres. Noch einmal 27 Dollar kamen für eine Schuluniform hinzu. Krasse Missverhältnisse wie diese sind es, die das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, veranlasst haben, die weltweite Abschaffung von Schulgebühren zu fordern. Unicef tat dies auf der internationalen Konferenz „Bildung für alle“, die noch bis heute im indischen Neu-Delhi tagt.

Unicef erhebt einen schweren Vorwurf gegen die Regierungen in Entwicklungsländern. Millionen von Kindern im Grundschulalter würden dort häufig am Schulbesuch gehindert – weil ihre Eltern die hohen Schulgebühren nicht bezahlen können. „Da geht ein riesiges Potenzial verloren“, sagte Unicef-Sprecher Rudi Tarneden der taz. Kriminalität, Ausbreitung von Aids, Ausbeutung – all diese Probleme hängen direkt mit mangelnder Bildung der Menschen in armen Ländern zusammen. „Wir sagen immer: Bildung ist auch ein Überlebensmittel“, appellierte Tarneden an die Regierungen.

Trotz internationaler Abkommen, allen Kindern eine kostenlose und verpflichtende Grundbildung zu ermöglichen, werden laut Unicef in mehr als 100 Ländern weiterhin Schulgebühren erhoben. Kosten für Schuluniformen, Schulbücher und Prüfungen kommen oft noch hinzu.

Insbesondere im südlichen Afrika seien die Schulgebühren ein großes Problem. Dort besuchten nur 58 Prozent der Jungen und 54 Prozent der Mädchen im Grundschulalter eine Schule. Insbesondere viele Aids-Waisen könnten sich den Schulbesuch nicht mehr leisten. Sie machten einen wachsenden Teil der rund 45 Millionen afrikanischen Kinder aus, die heute keine Schule besuchen. Unicef befürchtet, dass im Jahr 2015 die Hälfte aller Kinder, die weltweit nicht zur Schule gehen, auf dem afrikanischen Kontinent leben.

Positive Erfahrungen gibt es in den Ländern, die die Schulgebühren kürzlich abgeschafft haben: Kenia, Malawi, Tansania und Uganda. Allein in Kenia meldeten sich nach der Abschaffung der Gebühr zu Beginn dieses Jahres zusätzlich 1,5 Millionen Kinder in den Schulen an. In Malawi verdoppelte sich die Zahl der Schulkinder. Allerdings: „Das Problem ist nicht damit aus der Welt, dass man die Gebühren aufhebt und dann die Schulen völlig überfüllt sind“, sagte Unicef-Sprecher Tarneden. „Der Erfolg wird davon abhängen, dass die Schulen die Kinder auch halten. Die Einschulungszahlen allein sagen noch nichts.“

Unterstützung der reicheren Länder, etwa durch mehr Entwicklungshilfe, müsse her. In Kenia und Uganda habe man damit schon gute Erfahrungen gemacht, sage Tarneden. Unicef selbst hat inzwischen über 1.000 Lehrer in diesen Ländern ausgebildet, um die Qualität der Lehre zu sichern.

Doch grundsätzlich gilt laut der Direktorin des UN-Kinderhilfswerks, Carol Bellamy: „Die Abschaffung der Schulgebühren ist die wirksamste Maßnahme, um endlich das Menschenrecht auf Bildung für alle Kinder zu verwirklichen.“  OLIVER HAVLAT