Verknäuelte Assoziationen

Die Schau „Reisefreiheit“ im Kunsthaus zeigt Werke von fünf HamburgerInnen und ihrer ausländischen KollegInnen

Vielleicht haben sie sich verbündet: das Klebeband, der Klotz und der Becher. Haben abgesprochen, in welche Ecke sie zuerst fallen wollen in ihrer vom Australier Daniel von Sturmer gefilmten „white cube“-Geschichte. Wie in einem Kaleidoskop fallen die Protagonisten in The Truth Effect um eine imaginäre Achse. Das Video ist Teil der Schau „Reisefreiheit“ im Kunsthaus – künstlerischer Output fünfmonatiger Auslandsaufenthalte. Fünf Hamburger hat Rita Kersting, Kuratorin am Düsseldorfer Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, im Auftrag des Vereins Neue Kunst in Hamburg ausgewählt, der seit 1998 zweijährlich Reisestipendien vergibt. In fast alle Erdteile sind die Künstler gereist und haben von dort Kollegen mitgebracht.

Die Schwierigkeit, fremde Realität zu begreifen, offenbaren etliche Werke, gekoppelt an subjektive Wahrnehmung, die das soziale Gefüge des Gastgeberlandes enthüllt: Surreal wirken Michael Hakimis Moskauer Zeichnungen, die mal Schlemmer, mal den Sozialistischen Realismus zitieren. Ein Alptraum aus bizarren, Bulgakov-artigen Figuren. Zugleich ein hellsichtiges Porträt einer Gesellschaft, die ihrer eigenen Veränderung hinterherhechelt. Und wie um ihm zu antworten, entblößt sein Gast Victor Alimpiev im Video The Rock Music jugendlichen Führerkult.

Spielerischer geht das Duo Bianco-Valente, das Florian Hüttner aus Neapel einlud, mit Machtinstrumenten um: Das Verhältnis von Natur und Kunst – etwa bei der Erschaffung künstlicher Intelligenz – interessiere ihn, sagt Pino Valente. 1,5 Kilometer Seidenpapier haben er und Partnerin Giovanna Bianco deshalb mit Assoziationen beschriftet; wie ein Gewölle nie mehr entwirrbarer Hirnverschlingungen liegt der Haufen am Boden. „Letztlich sind es Menschen, die die Computer auf Intelligenz programmieren“, sagt Valente. „Und vielleicht wird irgendwann eine Maschine fähig sein, unsere Texte zu lesen.“

Eine subjektivere Form der Selbstbeobachtung zelebriert Florian Hüttner, der seinen Blick-Weg durch Neapel zeichnete, filmte und zur öffentlichen Beobachtung freigab. Sehr privat gestaltet sich auch Nina Könnemanns Video einer madagassischen Strohhütte: Träge folgt man hier einem Erwachenden, der langsam das Innenleben der Hütte erfasst. Ein akribisches Abtasten von Details auf der ewigen Suche nach Sinn. PETRA SCHELLEN

Weitere KünstlerInnen: Markus Amm, Sam Gordon (New York); Nicole Wermers Di–So 11–18 Uhr, Kunsthaus; bis 7.12.