Gesetz gegen Kopftuch vorgelegt

Baden-Württemberg präsentiert ersten Entwurf für Kopftuchverbot an Schulen. Christliche Glaubensbekundungen bleibenvon der Regelung ausgenommen. Juristen bezweifeln, dass das Gesetz vor dem Verfassungsgericht Bestand haben würde

von HEIDE OESTREICH
und ULRIKE WINKELMANN

Sie hat es getan. Die konsequente Kopftuchkämpferin Annette Schavan hat in einer Überraschungsaktion am späten Dienstagnachmittag einen Gesetzentwurf präsentiert, der das islamische Kopftuch aus den öffentlichen Schulen Baden-Württembergs verbannen soll. Schneller als erwartet reagierte sie damit auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom September: Das Land könne der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin die Einstellung in den Schuldienst nur verweigern, wenn es ein entsprechendes Gesetz erlasse, hatte Karlsruhe geurteilt.

Auch das baden-württembergische Justizministerium war von der Eile Schavans überrascht worden. Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP) hatte zuvor Bedenken geäußert: Schavans Ansinnen, christliche Kleidungsstücke, die von einigen Nonnen an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg getragen werden, zu schonen und islamische unter einen Generalverdacht zu stellen, schien ihr im Vorfeld schwer zu verwirklichen. Nun versucht der Gesetzentwurf, der der taz vorliegt (siehe Kasten), genau dieses: Er verbietet „äußere Bekundungen“ politischer, religiöser oder weltanschaulicher Art, nimmt aber in einer weiteren Wendung die christlichen Symbole aus. Schließlich sei schon in der Landesverfassung festgelegt, dass die Grundschulen in Baden-Württemberg „christliche Gemeinschaftsschulen“ sind. Der Bezug auf das Christentum sei also per Verfassung vorgesehen.

Rechtswissenschaftler sind uneinig darüber, ob ein solcher Gesetzentwurf verfassungsfest wäre. Schavans Juristen zielen darauf, dass das Kopftuch als politisches Symbol, das dem Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes widerspricht, gelten kann. Die Frankfurter Verfassungsrechtlerin Ute Sacksofsky bezweifelt das: „In diesem Fall wäre eine Einzelfallprüfung erforderlich.“ Dass unter Frau Ludins Kopftuch aber ein verfassungsfeindlicher Kopf steckt, hat das Verfassungsgericht in seinem Urteil bezweifelt. Wahrscheinlich würde es das wieder tun.

Als nicht verfassungsfest bezeichnet Sacksofsky die Ungleichbehandlung von Christen und Muslimen. Auch Staatsrechtler Jörn Ipsen, Verfasser eines juristischen Kommentars zum Karlsruher Kopftuchurteil, äußert Bedenken: „Dass man auf die Schultradition nach dem Urteil des Verfassungsgerichts ausdrücklich Rücksicht nehmen darf, beinhaltet meines Erachtens nicht, dass dass man dabei zwei Religionen unterschiedlich behandelt“, so Ipsen zur taz.

Die Strömung innerhalb der Muslime in Deutschland, die Wert darauf legt, dass das Kopftuch auf Frauenköpfen sitzt und diese in der Schule auftreten können, lehnt den Entwurf ab: Nadeem Elyas vom Zentralrat der Muslime spricht von einer „Benachteiligung per Gesetz“. „Ich glaube nicht, dass Frau Schavan selbst glaubt, dass sie damit beim Verfassungsgericht durchkommt“, sagte Elyas der taz. Es gehe nicht mehr nur um die Benachteiligung Einzelner, dräut ihm: „Frau Schavan nimmt an, dass der ganze Islam gegen das Grundgesetz verstößt. Das muss sie erst mal beweisen!“ Der Zentralrat der Muslime werde jedenfalls mit Freuden jedem Muslim helfen, der sich juristisch gegen diese Benachteiligung wehre, so Elyas. Der Zentralrat hatte auch die Klage von Fereshta Ludin finanziell unterstützt.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, meinte, der Entwurf zeige, „wie sich die Politik zwischen dem Ziel des Kopftuchverbots und den Vorgaben des Verfasssungsgerichts verheddert“. Wenn man aus diesem Entwurf ein Verbot des Kopftuches ableiten wollte, wäre das „verfassungsrechtlich bedenklich“, heißt es zudem aus ihrem Büro. Im Klartext: Frau Ludin könnte sich in kürzester Zeit erneut vor dem Verfassungsgericht einfinden. Und zwar schneller als gedacht: Nach Ansicht von Ute Sacksofsky könnte das Verfassungsgericht Frau Ludin sogar den Umweg durch die Instanzen ersparen und ihre Klage direkt zulassen.