Kongos Kriegsverbrecher atmen auf

Nach dem relativ ergebnislosen Abschluss der Arbeit einer UN-Untersuchungskommission zur Ausplünderung des Kongo ist zu erwarten, dass auch in anderen Bereichen eine Strafverfolgung von mutmaßlichen Kriegsverbrechern unwahrscheinlicher wird

von DOMINIC JOHNSON

Eine strafrechtliche Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in der Demokratischen Republik Kongo wird immer unwahrscheinlicher. Was Vorwürfe gegen multinationale Unternehmen wegen Kriegsfinanzierung angeht, hat die zuständige UN-Expertenkommission in ihrem Abschlussbericht die meisten ihrer bisherigen Beschuldigungen zurückgenommen (siehe taz von gestern). Wenn heute der UN-Sicherheitsrat hinter verschlossenen Türen über den Bericht berät, ist also zu erwarten, dass diese Debatte begraben wird.

Es gilt als sicher, dass der Sicherheitsrat das Mandat des Expertenpanels nicht verlängert. Allerhöchstens könnte eine neue Expertenkommission zur Überwachung des geltenden UN-Waffenembargos gegen den Kongo gebildet werden, wie es sie bereits für Somalia und Liberia gibt. Aber auch dies gilt als unwahrscheinlich, sagt ein deutscher Diplomat: „Das liegt an keinem europäischen Land oder an den USA, sondern an den Afrikanern, Chinesen und Russen.“

Öffentliche Untersuchungen von Vorwürfen der „illegalen Ausplünderung“ hat es nur in wenigen Ländern gegeben. In Uganda erhob eine Untersuchungskommission unter Vorsitz des Richters David Porter im Mai schwere Vorwürfe gegen einzelne hohe Militärs und Politiker. Daraufhin entließ die Regierung Armeechef James Kazini und kündigte Prozesse an; seitdem ist jedoch nichts passiert.

In Ruanda hat die Regierung jetzt eigene Ermittlungen gegen Verantwortliche für möglicherweise illegale Kongo-Geschäfte angekündigt: „Wir haben Ermittlungen eingeleitet und laden Leute vor“, bestätigt Justin Gakwaya von der ruandischen Generalstaatsanwaltschaft. Einzelheiten nennt er jedoch bislang nicht.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Luis Moreno Ocampo, hat mehrmals Anklagen wegen Kriegsverbrechen im Kongo in Erwägung gezogen. Vor kurzem bat er die Unterzeichnerstaaten des IStGH-Status um Mithilfe bei der Klärung von Vorwürfen gegen Unternehmen, die theoretisch der Finanzierung von Kriegsverbrechen angeklagt werden könnten.

Der Gerichtshof ist aber nur für den Zeitraum seit In-Kraft-Treten seines Statuts am 1. Juli 2002 zuständig. Da die meisten Kriegsverbrechen im Kongo länger her sind, hat Kongos Allparteienregierung, die gemäß eines Friedensvertrages seit Juli amtiert, die UNO zur Einrichtung eines Kongo-Tribunals aufgefordert – bisher ohne Resonanz.

Auch eine Wahrheitskommission ist in Gründung, sagt Kongos Menschenrechtsministerin Marie-Madeleine Kalala der taz. Und die Gesetze würden überarbeitet, um Kriegsverbrecherprozesse zu ermöglichen. „Es geht um die Verfolgung von Kriegsverbrechen, mit denen sich der Internationale Strafgerichtshof nicht beschäftigen kann, weil sie vor 2002 passierten“, sagt sie.

Dann allerdings könnte Kongos Justiz genauso gut spätere Verbrechen untersuchen. Und damit wäre den Aktivitäten des IStGH ein Riegel vorgeschoben, denn er kann nur aktiv werden, wenn die Justiz eines Mitgliedsstaates „unfähig“ oder „unwillig“ zu eigener Strafverfolgung ist. Klaus Rackwitz vom IStGH nahm letzte Woche auf einer Veranstaltung in Berlin deutlich Abstand von einem Kongo-Verfahren. „Je weniger Fälle, desto besser“, sagte er. „Wenn die nationale Justiz aktiv wird, freuen wir uns.“

Eine unabhängige Justiz gibt es im Kongo allerdings nicht. Ab heute wollen Richter und Staatsanwälte in den Streik treten – aus Protest gegen anhaltende „Einmischung“ seitens des Justizministers Kisimba Ngoy, der schon einmal unter Exdiktator Mobutu dieses Amt ausübte. Über die Verfolgung von Kriegsverbrechen „wird letztendlich das Parlament entscheiden“, erklärt Ministerin Kalala – und das Parlament wird von Vertretern der Kriegsparteien dominiert.