Ein aufgemaltes Lächeln

Cindy Shermans neueste Serie „Clowns“ in der Kestner Gesellschaft in Hannover zeigt nicht dieweise-resignativen Spaßvögel aus dem Zirkus, sondern tückische Verführer Marke Hollywood

VON BRIGITTE WERNEBURG

Cindy Sherman ist in eine neue Rolle geschlüpft. „Clowns“ heißt ihre aktuelle Fotoserie, doch besonders nette Gesellen sind diese bei ihr nicht. Nur selten – trotz ihrer bunten Kostüme und grellen Schminke – zeigen sie Charme. Und nur einmal, in „Untitled # 416“, liegt ein geradezu seliges Lächeln auf den breit hingemalten Lippen. Typischer ist da schon das Bild „Untitled # 410“. Auf ziemlich fiese Weise scheint der Clown, der als merkwürdige Mischform aus Cowboy (der Hut) und Matrone (die Rüschenbluse und der Plisseerock) auftritt, hier „howdy“ zu sagen. Ähnlich gemein wirkt er auch im Bild „Untitled # 411“, das ihn mit Zähnen zeigt, die auf die Unterlippe gemalt sind, als ob er der Subspezies des Vampirclowns angehörte.

20 großformatige, bis zu einem Meter achtzig hohe und zwei Meter zwanzig breite Farbfotografien sind in den Jahren 2003 und 2004 entstanden. In der Kestner Gesellschaft in Hannover ist die Serie nun erstmals in Europa zu sehen. Cindy Sherman spielt hier nicht nur mit der Gesichtsbemalung und Verkleidung des Clowns in Anlehnung an die Ästhetik der Zirkusreklame, sondern sie schöpft vor allem die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung aus. Sie macht eine neue Form des Gruppenporträts möglich, in dem Sherman gleich mehrfach auftritt. Vom Clown zum Klon ist es dank neuester Technik nur ein kleiner Schritt.

Ihren großen Reiz verdanken die „Clowns“ aber den bunten, psychedelisch delirierenden Farben der digitalen Hintergründe. Manchmal erinnern sie an die „Beautiful Drawings“, die bunten Kreise, die Damien Hirst mit Hilfe des Schwungrads erstellte, und dann wieder an die riesigen abstrakten Farbfotografien, die Thomas Ruff als „Substrat“ der Pornobildchen im Internet bestimmte.

Auf die Clowns sei sie gekommen, sagt Sherman, weil sie die vielschichtigen Abgründe eines aufgemalten Lächelns zeigen wollte. Die Abgründe scheinen amerikanischer Natur zu sein. Zweifellos sind sie zunächst very Sherman. Deshalb ist „Clowns“ ihre beste Serie seit langem, die viele ikonische Momente ihrer älteren Arbeiten in sich konzentriert, etwa die unbeholfen inszenierten Hände. Sie gehören, wie die Serie sehr schön zeigt, zum aufgemalten Lächeln. Doch dieses ist nicht das melancholische, weise-resignierte Lächeln, das Europa dem Clown zuschreibt. Shermans Clowns sind Amerikaner, erinnern an Ronald McDonald oder den „Joker“ von Jack Nicholson. Tückische, kommerzielle Verführer oder Hollywood-Clowns, die Angst und Schrecken verkünden.

Sherman selbst spricht in einem Interview mit Isabell Graw davon, dass die Abneigung gegen Clowns in Amerika besonders ausgeprägt sei, weil „sie hier in Werbung, Kindersendungen und Ähnlichem benutzt werden und immer schrecklicher und beängstigender geworden sind“. Nirgendwo also findet sich Pierrot le fou. Glücklicherweise gibt es einmal dieses selige Lächeln. Es bewahrt die Serie vor dem Absturz in die Eindimensionalität.

Bis 7. November, Katalog (Schirmer/Mosel Verlag) 29,80 €