AWO kriegt Hausbesuch

50 Demonstranten besetzen die Landeszentrale der Arbeiterwohlfahrt, um gegen 1-Euro-Jobs zu protestieren. Polizei trägt 20 Besetzer raus und erstattet Anzeige

„Ich bin für konstruktive Gespräche offen, aber nicht mit Berufsdemonstranten“, kommentierte Hans Nisblé, Landesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt, gestern seine Abwehrhaltung.

Gegen 15 Uhr waren gestern rund fünfzig Protestierer mit roten T-Shirts und weißen Masken in das Gebäude der AWO am Halleschen Ufer eingedrungen und hatten Nisblé aufgefordert, eine Distanzerklärung zu den 1-Euro-Jobs zu unterschreiben. „Wir fordern eine klare Positionierung der Sozialverbände gegen diese Jobs“, so Max Bitzer, Sprecher der Demonstranten.

Etliche von ihnen waren in die erste und dritte Büroetage vorgedrungen und hatten Transparente mit Aufschriften wie „Kapitalismus ist überflüssig“ und „Alles für alle – und zwar umsonst“ entrollt. Während einer Bedenkzeit, die die Aktivisten dem AWO-Landeschef gewährten, informierte der die Polizei. „Ich kann zwar den Zorn Betroffener nachvollziehen“, so Nisblé. „Aber eine derartige Erklärung entspricht nicht unserer Haltung.“

Die Aktion sollte die Premiere einer neuen Protestgruppe sein: „Die Überflüssigen“ verstehen sich als die vom Kapitalismus zu Unsichtbaren Degradierten. „Es ist der Versuch, sich von herkömmlichen Organisationslabels zu distanzieren und eine neue Qualität des Protests zu etablieren“, sagt Bitzer, der – wie einige der Teilnehmer – ansonsten unter der Standarte von Attac aufbegehrt. Markenzeichen der Protestler soll die weiße Maske sein. Sie seien auch ohne unbedingte Bereitschaft zur Konfrontation vor der AWO aufmarschiert. „Wir hatten eigentlich innerhalb der AWO mit mehr Solidarität gerechnet.“

Doch diese blieb aus. Ursprünglich sei vonseiten der AWO bezüglich des umstrittenen Lohnmodells von verheerenden Auswirkungen die Rede gewesen, sagte Aktivist Bitzer. „Die neuesten Erklärungen der AWO-Spitze lassen aber deutlich erkennen, dass man auch hier bereit ist, solche Arbeitsverhältnisse einzurichten.“

Ein Aufgebot der Polizei, dass gegen 16.30 Uhr eintraf, trug die zwanzig verbliebenen Besetzer aus dem Gebäude und nahm ihre Personalien auf. Gegen sie wurde wegen Hausfriedensbruch Anzeige erstattet. Festnahmen wurden vor Ort nicht vorgenommen. CHRISTINE KEILHOLZ