„Nachkommen der Römer“ gegen Roma

Eine Kampagne in Rumänien fordert, die Roma nur noch Zigeuner zu nennen, weil sonst die Italiener dächten, alle Rumänen seien Roma und demnach kriminell. Reale und virtuelle Stammtische zeigen sich begeistert

Die Zeitung begründete ihren Vorschlag mit dem Hinweis, im Ausland verwechsele man Rumänen mit Roma

BERLIN taz ■ Vor einigen Tagen veröffentlichte die Bukarester Zeitung Jurnalul National den Vorschlag, im öffentlichen Sprachgebrauch nur noch den Begriff „Zigeuner“ zu benutzen und auf die Bezeichnung „Roma“ gänzlich zu verzichten. Die Anregung löste erwartungsgemäß einen Beifallssturm aus. Der virtuelle Stammtisch schwärmte von diesem Vorstoß und lobte die Zeitungsmacher im Internet als ausgesprochen mutig, prorumänisch und patriotisch.

Die Zeitung begründete ihren Vorschlag mit dem Hinweis, im Ausland verwechsele man Rumänen mit Roma. Diese Verwechslung, hieß es weiter, komme wegen der ähnlich klingenden Bezeichnungen zustande und füge dem Ansehen der Rumänen in der Welt einen ungeheuren Schaden zu. Sie besudele darüber hinaus das Image des Landes.

Ausgangspunkt der jüngsten Umbenennungskampagne waren einige kriminelle Vorkommnisse in Italien, in die rumänische Staatsbürger verwickelt waren, die angeblich der Romaminderheit angehören. In hunderten Leserzuschriften, die das Blatt auf seiner Internetseite veröffentlichte, aber auch in mehreren rechtsradikalen Blogs äußerten die Befürworter der Umbenennung die Meinung, die Italiener glaubten, Rumänien sei ausschließlich von Roma besiedelt. Dieser Zustand müsse beendet und der internationalen Öffentlichkeit gezeigt werden, dass die Rumänen eigentlich Nachkommen der Römer seien und überhaupt nichts mit den im Mittelalter aus Indien eingewanderten Zigeunern zu tun hätten. Als diesen nach dem Untergang des kommunistischen Regimes 1990 offiziell der Status einer nationalen Minderheit zuerkannt worden war, hätten sie absichtlich die Volksbezeichnung „Roma“ durchgesetzt, um die Unterschiede zwischen Zigeunern und Rumänen zu verwischen.

Diese Debatte ist nicht neu. Und auch der Widerstand rumänischer Nationalisten gegen die Bezeichnung „Roma“ tobt seit fast zwanzig Jahren. Nachdem Bukarest dem Druck europäischer Gremien nachgegeben und versprochen hatte, die diskriminierende Bezeichnung „Zigeuner“ aus dem offiziellen Sprachgebrauch zu tilgen und durch den von der Minderheit vorgeschlagenen Namen „Roma“ zu ersetzen, gingen die völkischen Puristen auf die Barrikaden. Mit dem Argument, jegliche Verwechslung – auch orthografischer Art – von Roma und Rumänen unterbinden zu wollen, setzten sie sich letztendlich durch. Ihr Vorschlag, das Wort „Roma“ mit zwei Rr (Rroma) zu schreiben, wurde dankend angenommen. Mit der Wiedereinführung der Bezeichnung „Zigeuner“ soll nun auch dem Spuk dieses linguistischen Monsters ein Ende bereitet werden.

Ausgerechnet Silviu Prigoana, ein Abgeordneter der Liberaldemokratischen Partei (PDL), die dem Staatspräsidenten nahesteht, erklärte nun, die Kampagne der Zeitung aktiv unterstützen zu wollen. Der Medienmogul und Parlamentarier kündigte am 18. März an, er werde einen Gesetzentwurf vorbereiten, der die Abschaffung des Begriffs „Roma“ zum Inhalt hat. Dies auch deshalb, weil dieser Begriff, wie er sich ausdrückte, „schlecht klinge“. Alexandru Florian, der Geschäftsführer des Elie-Wiesel-Instituts zur Erforschung des rumänischen Holocaust, betrachtet diese Kampagne mit großer Skepsis und sieht darin einen „rassistischen Ansatz“. „Diese Kampagne“, erklärte er gegenüber der taz, „ist undemokratisch, diskriminierend und unrealistisch. Die Initiative erinnert an die Periode des Holocaust, den einzigen Zeitabschnitt in der modernen Geschichte der Menschheit, als faschistische Regime aufgrund von religiösen und rassischen Merkmalen gesetzlich bindende Hierarchien entwarfen, um Menschen in gute und schlechte, in nützliche und unnütze Geschöpfe einzuteilen.“

WILLIAM TOTOK