Kampagne gegen „Juden-Creme“

In der Historie des Kosmetikunternehmens Beiersdorf spiegelt sich Hamburgische Geschichte. Nazis starteten antisemitische Attacken gegen Nivea-Hersteller: Jüdische Vorstandsmitglieder mussten daraufhin ihre Ämter niederlegen

„Anstelle jüdischer Präparate solche nationaler Herkunft empfehlen“

von BERNHARD RÖHL

In dieser Woche begannen die Gespräche über eine mögliche Übernahme der Firma Beiersdorf durch Tchibo unter reger Anteilnahme von Medien und Öffentlichkeit. Warum das öffentliche Interesse so groß ist, Beiersdorf am Standort Hamburg zu halten, zeigt auch ein Blick in die Historie. In dem Eimsbütteler Kosmetikkonzern spiegelt sich deutsche und Hamburgische Gesichte wider.

1882 gründete der brandenburgische Apotheker Carl Paul Beiersdorf in Hamburg ein kleines Unternehmen. Zusammen mit dem Dermatologen Paul Gerson Unna entwickelte der Firmengründer Salben, Pflaster sowie medizinische Seifen. 1890 verkaufte Beiersdorf die Firma an den 27-jährigen jüdischen Apotheker Oscar Troplowitz, der aus Schlesien nach Hamburg gekommen war. Zusammen mit seinem ebenfalls jüdischen Kollegen Otto Hans Mankiewicz entwickelte er Produkte wie Leukoplast (1901) oder Nivea (1911).

Der Erfolg kam schnell: Schon vor Beginn des Ersten Weltkrieges wurden die Erzeugnisse von Beiersdorf in Kopenhagen, Paris, Moskau, Buenos Aires und Sydney produziert. Eine Weltfirma war entstanden.

Jüdische Persönlichkeiten gehörten auch nach dem Tod von Troplowitz und Mankiewicz in den 20er Jahren der Unternehmensleitung an, so Vorstandschef Willy Jacobssohn und seine Vorstandskollegen Eugen Unna und Hans Gradenwitz. Die antisemitischen Aktionen der Nazis in Hamburg in den 20er und 30er Jahren richteten sich denn auch gegen die Firma Beiersdorf – Aktionen, denen sich die Konkurrenz gerne anschloss.

Die Firma Queisser & Co produzierte zu dieser Zeit zum Beispiel in der Eimsbütteler Chaussee die Creme „Lovana“. Als Beiersdorf-Konkurrent ließ Inhaber Alfred Queisser in einem Schreiben an seine „verehrte Kundschaft“ mitteilen, „dass unsere Firma rein arisch und national ist“. Er trug das NSDAP-Parteiabzeichen und forderte die Besitzer von Apotheken und Drogerien auf: „Sie werden jetzt vielleicht Veranlassung nehmen, anstelle jüdischer Präparate solche nationaler Herkunft zu empfehlen.“ Vertreter von Queisser behaupteten gegenüber Apothekern, das Unternehmen sei „von einer politischen Organisation beauftragt worden, eine Hautcreme herzustellen, die als Ersatz für die jüdische Nivea-Creme zu gelten hat“. In der Zeitschrift Illustrierter Beobachter schaltete Queisser eine Anzeige: „Keine jüdische Hautcreme mehr benutzen! Lovana-Creme ist mindestens gleich gut, billiger und rein deutsch!“

Unter diesem massiven Druck entschloss sich Beiersdorf zur „freiwilligen Arisierung“. Die jüdischen Vorständler legten ihre Funktionen nieder. Auch zwei jüdische Mitglieder des Aufsichtsrates traten zurück. Die Firmenleitung stellte daraufhin fest, die Mehrheit der Aktionen sei „jetzt in christlichen Händen“.

Betriebsleiter des Unternehmens wurde Carl Claussen, der allerdings mit einer Nichte von Troplowitz verheiratet war und sich später weigerte, einer Scheidung zuzustimmen. Die SS befahl daher 1944, Claussen seines Postens zu entheben.

Die Nazis gaben zunächst weiterhin keine Ruhe: Der Stürmer nannte die „Arisierungsaktion“ ein „typisches jüdisches Täuschungsmanöver“. Stürmer-Chef Julius Streicher hatte sein Vorgehen aber nicht mit Wirtschaftskreisen abgesprochen, die Beiersdorf hingegen bescheinigten, nun ein „deutsches Unternehnen“ zu sein. Der „Nationalverband der deutschen Heilmittelindustrie“ vermittelte und setzte durch, dass die Kampagne gegen Beiersdorf gestoppt wurde.

In der Folgezeit erwies sich Beiersdorf als „zuverlässig“. In der Zeitung der SS Das Schwarze Korps wurden Anzeigen geschaltet – auch die SS-Leute konnten sich nun mit der früher als „Juden-Creme“ geschmähten Nivea einreiben.

Nach den Zerstörungen durch Feuersturm und Bombenkrieg produzierte Beiersdorf ab 1947 wieder: Nivea, später 8x4, Hansaplast, Tesafilm – im Zuge des Wirtschaftswunders erholte sich das Unternehmen und wurde wieder zu dem Weltunternehmen, das es heute ist.