Shop around the Clock

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit will die Läden länger öffnen. Dafür kämpft er heute im Bundesrat. Die Unternehmer finden das klasse, Ver.di aber meckert

Heute entscheidet der Bundesrat, wer das Sagen beim Thema Ladenschluss haben soll: Der Bundestag oder die Länderkammern. Stimmt eine Mehrheit der Länderregierungen zusammen mit Berlin für den Gesetzentwurf, muss der Bundestag darüber entscheiden, ob der Ladenschluss künftig Ländersache wird. Dann wäre sogar Einkaufen rund um die Uhr möglich – zumindest Montag bis Samstag. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist dafür, die Bundestagsfraktion der SPD ist allerdings dagegen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di warnt die Abgeordneten vor solchen Gedankenspielen. Der Landesbezirk Berlin-Brandenburg sagt: „Noch längere Öffnungszeiten kosten weitere Arbeitsplätze.“ Die höheren Betriebskosten würden mit Personalabbau finanziert. Zudem erhöhten längere Öffnungszeiten die Belastungen für die Familien der Beschäftigten weiter. Der Ver.di-Standpunkt: Den Menschen fehle das Geld und nicht die Zeit zum Einkaufen.

„Montag bis Samstag soll jeder Laden machen, was er will“, plädiert dagegen Stefan Siebner, Sprecher der Berliner Industrie- und Handelskammer. „Ganz Berlin rund um die Uhr ein Shoppingparadies – das aber wird so nicht kommen.“ Nur die Geschäfte, für die es Sinn macht, würden die neuen Möglichkeiten nutzen. Das sei in Mitte und am Kurfürstendamm der Fall. Dort gebe es viele Berlin-Besucher – und Shopping sei für den Tourismussektor ein überaus wichtiger Faktor. „Wir sollten den Touristen die Möglichkeit geben, zu jeder Tages- und Nachtzeit ihr Geld in Berlin zu lassen.“

Die Gleichung „längere Öffnungszeiten gleich mehr Kunden gleich mehr Umsatz“ könnte sich so zumindest für einige Geschäfte erfüllen. Mehr Ruhe beim Einkaufen verspricht sich die IHK für die Berliner: Wer zur Zeit noch gestresst in der Mittagspause die Familieneinkäufe erledigt, könne in Zukunft Shopping entspannt als Familienerlebnis zelebrieren.

Gerd Seehafer ist Präsident des Berliner Einzelhandel-Verbandes und in dritter Generation Inhaber des noblen Herrenausstatters Brummer in der Tauentzienstraße. Sein Geschäft öffnet Seehafer Montag bis Freitag von 10 bis 19 Uhr – und das soll auch so bleiben. Seine Erfahrung: Die Leute haben nicht unbedingt das Bedürfnis, spätabends einzukaufen. „Und wenn keiner mehr kommt, muss der Laden ja nicht ‚unter Strom‘ stehen“, sagt der Unternehmer. Das treibe nur die Betriebskosten in die Höhe. Dennoch hofft Seehofer auf eine schnelle Abschaffung der bestehenden Beschränkungen. Sein Modell: Beibehaltung der traditionellen Öffnungszeiten, aber größere Flexibilität. „Heute müssen wir per Gesetz Kunden um acht aus der Tür schieben – kein Wunder, wenn alle von Servicewüste sprechen.“ Kommt ein Kunde in den Laden, soll er aber so lange bleiben dürfen, wie er will. Und ruft einer an und sagt, dass er um 21 Uhr noch einen Anzug braucht, dann bleibt der Laden eben so offen.

Peter Dussmann, der Eigentümer des gleichnamigen Kulturkaufhauses in der Friedrichstraße, geht noch weiter: „Das beste Ladenschlussgesetz ist keines“, lautet sein Credo. Der Vorreiter in Sachen Ladenöffnungszeiten will am liebsten bis 24 Uhr öffnen – und das sieben Tage in der Woche. Schon jetzt ist das Kulturkaufhaus unter der Woche bis 22 Uhr geöffnet. Der Trick: 1998 ernannte Dussmann viele seine Mitarbeiter zu leitenden Angestellten – und die dürfen laut Gesetz zwei Stunden länger arbeiten. „30 Prozent des Umsatzes wird in dieser Zeit erwirtschaftet“, sagt eine Dussmann-Sprecherin. „Unsere Kunden sind Leute, die es erst kurz vor Ladenschluss in den Supermarkt schaffen – die geistige Nahrung können sie anschließend bei uns bekommen.“ Felix Wadewitz