„Die Bürokraten werden ein Privileg verlieren“, sagt Christoph Bruch

Die Bundesregierung will endlich ein Informationsfreiheitsgesetz vorlegen. Bislang gingen ihre Pläne nicht weit genug

taz: Rot-Grün legt demnächst den Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vor. Angekündigt wurde es schon im Koalitionsvertrag von 1998. Warum hat das so lange gedauert?

Christoph Bruch: Innerhalb der Koalition sind die Grünen die treibende Kraft beim Thema Informationsfreiheitsgesetz. Sie haben sich allerdings nicht wirklich durchsetzen können. Als 2001 darüber verhandelt wurde, stoppte der 11. September die Verhandlungen zunächst. Jetzt versucht die SPD mit seiner Durchsetzung zu punkten. Ein Großteil der politischen Klasse fühlt sich durch solch ein Gesetz angegriffen, weil in ihr Geschäftsfeld eingedrungen wird. Die Beamten wollen sich ihre Befugnisse nicht beschränken lassen.

Was ist so besonders an dem Gesetz?

Abgeschafft wird ein undemokratisches Privileg der Verwaltung, das aus den Zeiten des Obrigkeitsstaates stammende Amtsgeheimnis. Die Bürger erhalten das Recht, von der Verwaltung die Herausgabe aller Informationen zu verlangen, die nicht durch spezielle Schutzklauseln im Gesetz von der Zugänglichkeit ausgenommen werden. Durch die Presse und ihren in den Landespressegesetzen festgeschriebenen Auskunftsanspruch erhalten wir zwar auch jetzt schon Informationen über die Regierung. Durch das Gesetz erhielten Journalisten aber zum einen ein neues Recherchewerkzeug. Zum anderen würde die Abhängigkeit der Bürger von den Medien gemindert.

Eine Art neues Bürgerrecht?

Ja, ein Bürgerrecht, mit dem Anspruch auf Transparenz staatlichen Handelns – eine alte Forderung der Aufklärung. Mit dem starken Wachsen der öffentlichen Verwaltung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurde auch der Ruf nach Informationsfreiheitsgesetzen lauter. Seit dem Ende der 70er-Jahre wurden in über 40 Staaten entsprechende Gesetze durchgesetzt.

Und warum ist Deutschland eines der letzten OECD-Länder ohne ein solches Recht?

Auch in Deutschland werden Informationsfreiheitsgesetze seit den 70er-Jahren gefordert. Die Befürworter konnten sich bislang aber nicht durchsetzen. In Brandenburg, wo das Informationsfreiheitsgebot sogar in der Verfassung steht, wirkte der Emanzipationsprozess zur Überwindung der SED-Herrschaft nach. Die Mehrheit der Abgeordneten von SPD, Grünen und der PDS im Berliner Landesparlament, die für das Informationsfreiheitsgesetz stimmten, war ebenfalls durch diese Ereignisse beeinflusst.

Nicht nur Bürokraten und Abgeordnete, auch Teile der Wirtschaft opponieren.

Die Zweifel der Unternehmen sind zunächst einmal verständlich. Sie haben Angst davor, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die sie zum Teil an die Verwaltung weitergeben, öffentlich bekannt werden. Aus diesem Grund enthalten Informationsfreiheitsgesetze Schutzklauseln.

In einigen Punkten wendet sich der Entwurf, den unter anderem die Humanistische Union, die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche und Transparency International erarbeitet haben, gegen die ursprüngliche Vorlage der Regierung aus dem Jahr 2000.

Der damalige Entwurf der Bundesregierung entsprach überhaupt nicht unserer Vorstellung, schon weil der Verwaltung keine Fristen für die Antragsbearbeitung gesetzt werden sollten. Allein damit wäre das Anliegen des Gesetzes praktisch ausgehebelt worden. In der internen Diskussion forderten dann das Verteidigungs- und das Finanzministerium, vom Anwendungsbereich des Gesetzes ganz ausgenommen zu werden. Das sehen auch viele Politiker kritisch.

Wären die Mitarbeiter der Verwaltung auf die Änderungen überhaupt vorbereitet?

Man muss sich auf Anlaufschwierigkeiten einstellen. Allein schon der Umstand, dass jemand anruft und sagt: Ich möchte eine Information haben, ich habe einen Anspruch darauf. Das kennen Verwaltungen nicht. Zu der Ablehnung trägt auch bei, dass für Informationsfreiheitsgesetze oft mit der Begründung geworben wird, dass sie Korruption verhindern. Manch ein Mitarbeiter fühlt sich da angegriffen.

Kann denn das Gesetz Korruption verhindern?

Angaben von Transparency International zufolge stehen die Länder mit einem Informationsfreiheitsgesetz auf dem Korruptionsindex der Organisation auf den besseren Plätzen.

Beim ersten Anlauf hat die Ministerialbürokratie das Gesetz abgebremst. Warum sollte es jetzt klappen?

Die Ministerialbürokratie ist immer dagegen. Wie in anderen Ländern auch, muss sich die Politik gegen diesen Widerstand durchsetzen.INTERVIEW: IMKE SCHRIDDE