Marktschreierisches Apfelshampoogrün

Warum zusehen, wenn im Fernsehen die Wohnungen argloser Menschen binnen eines Tages „verschönert“ werden?

Der Familiensender RTL war immer schon gut darin, den Alpträumen der Menschen Gestalt zu verleihen (Oliver Geissen, Heiner Bremer et al.). Mir träumte letztens zum Beispiel, dass ich morgens gut gelaunt meine Wohnung verlassen habe. Und als ich abends wiederkehrte, kam mir eine, nun, ja, stämmige Fee in wallenden Gewändern entgegen, um mir mitzuteilen, dass sie meine vier Wände während meiner Abwesenheit ein wenig „verschönert“ habe.

Die Wände hatten ein marktschreierisches Apfelshampoogrün angenommen, meine mit Bedacht in einer Schublade verstaute Sammlung von Fußballer-Bildchen prangte in einem Glasrahmen neben der Tür, und aus meiner Teekiste in der Ecke hatte der Wohngeist ein Arrangement mit Makramee hergestellt. Es war natürlich grausam, und deswegen bin ich aufgewacht.

Der Traum ist wahr geworden. Die Fee heißt Tine Wittler und ist so eine Art Hella von Sinnen mit Pagenschnitt. Sie wütet im Auftrag von RTL durch die Wohnungen argloser Studentinnen und Webdesigner – mit dem Versprechen, aus dem Daheim innerhalb eines Tages eine völlig neue Wohnung zu gestalten. Die armen Opfer müssen so lange draußen bleiben, bis Frau Wittler, die zwischendurch immer wieder verschwörerisch in die Kamera zwinkert, ihr Werk vollendet hat.

Sie hat zwei willenlose Handlanger unter sich, die selbst aberwitzigste Wünsche wie den, die unschuldige weiße Wand in ein Rot-Gelb-Rot, welches iberisch anmuten soll, zu verwandeln, widerspruchslos, heiter gar, erfüllen. Die Säge sägt erbarmungslos Regalteile auseinander, die über Jahre eine harmonische Partnerschaft geführt haben, aus einem sympathischen Durcheinander fügt die Furie eine brave Sitzgruppe, garniert mit einem knallig roten Teppich. „Ist der nicht schön?“, fragt sie ihre Heimwerkersklaven, die nicken artig, „ja, schön bunt“.

Nach der Reklameunterbrechung wird weiter verschlimmbessert, bis am Ende des Tages der bis dahin unbescholtene Bewohner mit samt einer fröhlichen Rasselbande angeblicher bester Freunde wieder ins Allerheiligste gelassen wird. Pflichtgemäß müssen die Gequälten spitze Jubelschreie ausstoßen, Tränen sammeln sich im Augenwinkel – sind es Tränen der Freude? –, und Frau Wittler kündigt ihre nächste Attacke für den folgenden Tag an.

Irgendwo in der Republik in einer anderen Wohnung. Es kann jeden treffen. Schließen Sie besser zweimal ab, bevor Sie morgens aus dem Haus gehen. Peter  Ahrens

„Einsatz in vier Wänden“, montags bis freitags 17 Uhr, RTL