VBB-Rabatt nur für Deutsche

Nur deutsche Schwerbehinderte fahren in Berlin mit Bussen und Bahnen kostenlos. Ausländische Gäste haben Pech, bestätigt der Verkehrsverbund. Grüne und FDP kritisieren Diskriminierung

VON FELIX WADEWITZ

Berlin tut einiges für sein Image als behindertenfreundliche Stadt (siehe Bericht unten). So können Schwerbehinderte fast kostenlos S- und U-Bahnen sowie Busse nutzen. Eigentlich. Kommt der Behinderte aber nicht aus Deutschland, hat er Pech. „Ausländer haben kein Anrecht auf kostenlose Beförderung, weil das nur die Inhaber eines deutschen Behindertenausweises haben“, sagt Sabine Vogel, Sprecherin des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), zu dem S-Bahn und BVG gehören.

Diese Sichtweise bekam Wojciech Królikiewicz am vergangenen Sonntag zu spüren. „Für Sie gibt’s das nicht. Das ist nur für Deutsche“, beschied ihm die Dame am Ticket-Schalter der S-Bahn knapp. Królikiewicz ist Pole. Seine Behinderten-Bescheinigung hatte der 45-Jährige der Frau vorgelegt. Królikiewicz leidet an der Huntingtonschen Krankheit. Diese greift das Zentralnervensystem an und führt allmählich zum Tod. Betroffene reden und verstehen nur langsam und bewegen sich unentwegt – ähnlich wie Betrunkene. Królikiewicz kann nicht mehr in seinem Beruf als Lehrer arbeiten und lebt von einer kleinen Rente. Am Sonntag kam der 45-Jährige nach Berlin, um einen Bekannten zu besuchen.

In den Tarifbestimmungen des VBB heißt es wörtlich: „Inhaber eines Schwerbehindertenausweises können alle Verkehrsmittel im Tarifgebiet des Verkehrsbundes Berlin-Brandenburg unentgeltlich nutzen (…). Das gilt generell und unabhängig vom Wohnsitz.“ Dass nur Deutsche gemeint sind, steht nicht darin. „Es ist aber leider so, dass wir ausländische Behindertenausweise nicht anerkennen“, sagt VBB-Sprecherin Vogel.

„Heftig“ findet Claudia Hämmerling diese Praxis. Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus sagt: „Mit der Regelung werden Ausländer diskriminiert.“ Niemand sollte benachteiligt werden, wenn er in Berlin zu Gast ist, meint auch der FDP-Abgeordnete Rainer-Michael Lehmann.

„Das Ganze ist in der Tat ein Problem“, heißt es bei der BVG. „Wenn wir die Dokumente als Behindertenausweise erkennen, lassen wir sie ja gelten“, erläutert Sprecherin Petra Retz. „Aber die Mitarbeiter sprechen nicht unbedingt die jeweilige Sprache, in der der Ausweis gedruckt ist.“ Und wenn der Behindertenausweis nicht als solcher zu erkennen ist, dann gibt es auch keine kostenlose Beförderung.

Den Betroffenen bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, einen deutschen Schwerbehindertenausweis beim Versorgungsamt zu beantragen, sagt der Behindertenbeauftragte von Charlottenburg-Wilmersdorf, Hartwig Eisel. Dort bekommen Schwerbehinderte für 60 Euro eine Wertmarke, mit der sie den VBB dann ein Jahr lang ohne Zusatzkosten nutzen können. Das Problem: Die Bearbeitung eines solchen Antrags dauert ungefähr sechs Monate. Zu lange für behinderte Berlin-Gäste, die nur für kurze Zeit in der Hauptstadt sind. Außerdem rechnet sich für Kurzbesucher kaum die Ausgabe von 60 Euro.

Natascha Kompatzki von der Berlin Tourismus Marketing (BTM) sieht die Verantwortung nicht bei den Verkehrsunternehmen: „VBB und BVG können wir da nichts vorwerfen.“ Die BTM-Sprecherin fordert: „Die Politik muss eine Lösung finden.“ Am besten wäre ein neuer Behindertenausweis auf EU-Ebene, so der BTM-Vorschlag. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Ideen des FDP-Abgeordneten Lehmann und des Behindertenbeauftragten Eisel. Schließlich gebe es das Problem nicht nur in Berlin, sondern auch in London und anderen europäischen Städten, argumentieren beide.

„Das Thema steht auf meiner Agenda“, verspricht die Grüne Hämmerling – die Abgeordnete möchte demnächst den Senat dazu befragen. Das Sprachproblem lässt Hämmerling nicht gelten. Es könne doch kein Problem sein, den behinderten Berlin-Besuchern ein deutsches Pendant zu ihren Dokumenten auszustellen, mit dem die kostenlose Benutzung von Bus und Bahn möglich ist. „Bei gutem Willen lässt sich das machen.“