Munteres Vollzugskarussell

Justizbehörde will sozialtherapeutische Haftanstalten in Vierlande zusammenfassen. GAL sieht Erfolg der Therapie gefährdet und warnt vor erheblichen Mehrkosten. Undurchsichtiges Personalkarussell bei den AnstaltsleiterInnen

Von Marco Carini

Alles neu bei der Sozialtherapie von Hamburger Häftlingen: nachdem Justizsenator Roger Kusch (CDU) im Juni die Schließung der sozialtherapeutischen Anstalten Altengamme und Bergedorf angekündigt und ihre Angliederung an bestehende Großknäste angekündigt hatte, hagelte es Proteste der Opposition und der Fachwelt. Tenor: Eine effektive Vorbereitung von Langzeithäftlingen auf die Freiheit, wie sie in den Anstalten seit Jahren erfolgreich betrieben wird, sei in diesem Rahmen nicht möglich.

Am Donnerstag segnete nun die Justiz-Deputation überraschend ein völlig neues Kusch-Konzept ab. Die Häftlinge aus Altengamme, Bergedorf und der Altonaer Übergangseinrichtung Moritz-Liepmann-Haus sollen in die bisherige Justizvollzugsanstalt Vierlande umziehen, die zur sozialtherapeutischen Anstalt umgewandelt wird. Die im Vierländer Vollzug einsitzenden Gefangenen werden nach Billwerder und Fuhlsbüttel überführt.

Mit dieser Zusammenlegung will die Justizbehörde die Platzzahl im sozialtherapeutischen Vollzug um 50 Prozent erhöhen: von bislang 134 auf 200 Plätze für männliche Häftlinge, ohne dass bislang eine Aufstockung des Vollzugs-Personals geplant ist. Für weibliche Strafgefangene soll eine sozialtherapeutische Abteilung in Glasmoor mit bis zu 20 Haftplätzen eingerichtet werden. Bislang standen lediglich 13 Plätze für Frauen in der Sozialtherapie und im Übergangsvollzug zur Verfügung.

Durch die Zentralisierung und die Aufgabe der drei bisherigen Standorte will die Justizbehörde jährlich 700.000 Euro einsparen. „Wir schaffen mit weniger Steuergeldern mehr sozialtherapeutische Plätze“ klopft Kusch sich auf die Schulter.

Dass diese Rechnung aber weder fachlich noch finanziell aufgehen dürfte, prophezeit die Opposition. Zwar ist der justizpolitische Sprecher der GAL, Till Steffen, froh, „dass durch die Proteste der vergangenen Wochen die fachlich nicht zu vertretende Angliederung der Sozialtherapie an Großanstalten wie Fuhlsbüttel vom Tisch“ ist, doch der Umzug nach Vierlande sei „allenfalls das kleinere Übel“.

Steffen verweist darauf, dass „effektive Sozialtherapie nach allen Fachuntersuchungen nur in kleinen, dezentralen und fast familiär organisierten Häusern“ funktioniere. Die Zusammenlegung gefährde deshalb die erfolgreiche Arbeit der drei bisherigen Kleinanstalten, die an besonders niedrigen Rückfallquoten der hier betreuten Häftlinge festzumachen sei.

Auch finanziell sei der Plan eine „Milchmädchenrechnung“. Während etwa die sozialtherapeutische Anstalt Bergedorf erst vor kurzem mit Steuergeldern umfassend renoviert wurde, schleppt Vierlande einen Instandsetzungstau vor sich her, den Experten auf zehn bis 15 Millionen Euro taxieren.

Zudem müsste, wie auch die Justizbehörde einräumt, Vierlande umgebaut werden, um den Erfordernissen einer sozialtherapeutischen Anstalt zu entsprechen. Steffen: „Da die Plätze des geschlossenen Vollzugs in Vierlande aufgrund horrender Haftplatz-Überkapazitäten nicht mehr gebraucht werden, wäre es finanziell sinnvoller, diese veraltete Anstalt einfach aufzugeben und die Sozialtherapie dort zu belassen, wo sie ist. Das geplante Bäumchen-wechsel-dich-Spiel macht weder therapeutisch noch kostenmäßig Sinn.“