Witzeln ist Macht

Der altbacken-frauenfeindliche Witz:

„Frauen sind wie Juwelen. Man muss sie mit Fassung tragen.“

(Heinz Erhardt)

VON DANIELA ZINSER

„Wenn meine Freundin Schuhe kauft … – ich wäre froh, wenn sie solche Geräusche mal beim Sex machen würde.“ Dieser humoristische Leckerbissen stammt vom Comedian Mario Barth, der auf filigrane Weise Schuhe, Sex und Frauenklischee verquirlt. Damit füllt er riesige Stadien mit Lachern.

Männlicher Humor ist gern mal sexistisch. Damit, so mutmaßt der Sozialpsychologe Rolf Pohl in dieser Ausgabe, verarbeiten sie ihre unbewusste Angst vor Frauen. Aber auch Frauen schlagen zu: „Warum ertrinken so viele Männer? Weil sie auch unter Wasser den Mund nicht zubekommen.“ Da wird offenbar auch recht viel verarbeitet. Allerdings füllt niemand mit solchen Witzen Stadien. Weiblicher Massenmedien-Humor ist sanfter: „Ich stelle mir vor, dass Eier für Männer, was Abendtäschchen für Frauen sind. Es ist nur ein kleines Beutelchen, aber ohne fühlen wir uns in der Öffentlichkeit nackt“, so durchaus frivol, aber einfühlsam denkt Carrie in „Sex and the City“ sich in die männliche Psyche hinein.

Frauen sind Meisterinnen der Selbstironie; ihr humoristischer Pluspunkt sind Geschichten von Missgeschicken und Schwächen

Das bisherige, in etlichen Umfragen und Studien untersuchte Rollenmodell sah so aus: Frauen suchen Männer mit Humor, Männer suchen Frauen, die über ihre Witze lachen. Männer machen die Scherze, Frauen ein freundliches Gesicht dazu.

Beides ist nur insofern geschlechtsspezifisch, als dass es antrainiert ist. Denn Humor entwickelt sich danach, was auf Anerkennung und was auf Ablehnung stößt. In den Siebzigerjahren beobachtete der US-Soziologe Paul McGhee, dass im Kindergarten Jungs als Spaßvögel gefeiert, Mädchen aber für humoristische Ausfälle getadelt wurden. Deshalb verlegten sie sich lieber aufs Bewundern und Belächeln der Jungs. Männer initiieren den Humor, Frauen reagieren darauf. Daran, so McGhee, ändere sich bis ins hohe Alter nichts. „Aufgrund der Macht, die mit dem erfolgreichen Einsatz von Humor assoziiert wird, wird die Initiierung von Humor inzwischen auch mit anderen traditionell männlichen Charakteristiken wie Aggressivität, Dominanz und Selbstsicherheit assoziiert“, sagt der Wissenschaftler. Humor ist eine Frage der Macht.

Der liebevoll-frauenfeindliche Witz:

„Warum sehen sich Frauen Pornofilme immer bis zum Ende an? Weil sie hoffen, dass am Ende geheiratet wird.“

Doch McGhees Untersuchungen sind mehr als dreißig Jahre alt. Und Frauen lernen immer besser, sich gegen männliche Dominanz zu verteidigen. Heute, so fand es die Psychologin Marion Bönsch-Kauke heraus, die Kinderhumor von Sieben- und Achtjährigen an einer Berliner Grundschule untersuchte, sind die Mädchen keineswegs die stumm-dankbaren Dulderinnen: „Man sollte nicht glauben, dass Mädchen prinzipiell die humorschwachen Verliererinnen in diesem Procedere der spaßigen Beschimpfungen seien.“

Die Strategie aus der Defensive, da sind die Experten sich einig, ist weiblich. Frauen sind Meisterinnen der Selbstironie; die Geschichten über Missgeschicke und eigene Schwächen, die sie gerne erzählen, sind ihr humoristischer Pluspunkt. Mit dieser Art von Anekdoten ist häufig aber auch eine Kritik verbunden. Das lustige Beschreiben vom vergeblichen Versuch, ein Ikea-Regal aufzubauen, beinhaltet ja zugleich auch ein Bemängeln der unverständlichen Zusammenschraubanleitungen ebenso wie Witze über das eigene Gewicht das gängige Schönheitsideal in Frage stellen. „Wer über seine eigenen Defizite lacht, zeigt zugleich auch, dass er sich über die herrschende Norm stellt und gewisse Regeln so nicht stimmen“, sagt die Freiburger Humorforscherin Helga Kotthoff.

Männer unter sich würden zwar deutlich weniger selbstironische Missgeschick-Geschichten erzählen. Ihr Humor ist eher ein Angriffshumor, der austeilt und oft mit derben Sprüchen reagiert. Aber, so verweist Kotthoff auf amerikanische Studien, in Gesellschaft von Kommilitoninnen würden junge Studenten durchaus persönliche Peinlichkeitsanekdoten erzählen. „Es ist eine Form von Annäherung. Humor auf eigene Kosten stellt Nähe her, indem er zeigt: Ich bin nicht perfekt“, sagt Kotthoff. Und die jungen Männer zeigten damit zudem: Ich bin kein Macho.

Der frauenfeindliche Witz:„Warum haben Frauen eine Gehirnzelle mehr als Hühner? Damit sie nicht auf dem Hof kacken.“

In neuem Selbstbewusstsein liegt im Gegenzug begründet, dass bei jungen Frauen der Humor immer risikofreundlicher wird. „Das hat vor allem mit neuen Idealen zu tun: Vor dreißig Jahren war noch das nette, zurückhaltende Mädchen gefragt. Heute kommt frecher und forscher besser an – auch beim Humor“, sagt Helga Kotthoff. Frauen würde Männer durchaus auch mal aufziehen oder Sprüche rund ums Thema Sex machen. Das schlägt sich der Humorforscherin zufolge auch im Fernsehen nieder, wo TV-Komikerinnen heute nicht mehr nur schrullig sein müssen wie Helga Feddersen oder so fröhlich wie Lieselotte Pulver. „Allerdings liegt das in Deutschland mögliche Spektrum weit hinter den USA, wo Frauen insgesamt ein breiteres Handlungsspektrum, vor allem in Führungsetagen, möglich ist“, sagt Kotthoff. Humor ist mit sonstigem Kommunikationsverhalten verbunden. Eine deutsche Variante der US-Komikerin Sarah Silverman ist nur schwer vorstellbar.

Der männerfeindliche Serienwitz: Gabrielle aus „Desperate Housewives“: „Wie meine Großmutter immer sagte: Ein erigierter Penis hat kein Gewissen!“ Darauf Lynette: „Die schlaffen sind auch nicht viel anständiger.“

Zweifelsohne hat sich einiges getan. Und zugleich gibt es immer wieder Rückschläge. Mario Barth zum Beispiel. Der Autor des humoristischen Standardwerks „Langenscheidt Deutsch – Frau / Frau – Deutsch: Schnelle Hilfe für den ratlosen Mann“ wiederholt Klischees: Frauen und Autofahren, Frauen und ihre Aufräumwut, Frauen und ihre Launen. Und Männer wie Frauen, gern als Pärchen, jubeln ihm zu und erfreuen sich am Aufwärmen von Stereotypen.

Männerkritischer Humor wird heute nach Ansicht der Wissenschaftlerin zwar goutiert, aber nur in schwächerer Dosierung. Er nutze sich auch schneller ab. Am gängigen Repertoire an Männerwitzen fällt die Brutalität auf: Die Männer sterben darin reihenweise, sind schon tot oder sollten es sein. Die Rache der bewitzelten Frau ist offenbar gnadenlos.

Der brutal-männerfeindliche Witz: „Was macht die kluge Hausfrau, wenn ihr Mann beim Kartoffelholen die Kellertreppe hinunterfällt und sich das Genick bricht? Nudeln.“

Dabei ist doch am hübschesten, wenn sich Selbstironie und Männerkritik verbinden, eine Technik, die vor allem US-Serien bestens beherrschen. „Hat irgendjemand von euch einen komplett langweiligen Bekannten oder zumindest eine Pflanze, mit der ich am Samstag ausgehen könnte?“, fragt etwa Miranda aus „Sex and the City“ ihre Freundinnen; Lorelai aus „Gilmore Girls“ mahnt ihre Tochter: „Wenn du dein Leben schon für einen Kerl wegschmeißt, dann doch wenigstens für einen mit Motorrad!“

Falls Sie das nicht lustig finden oder Ihnen keine Replik einfällt, eröffnet der Humor große Freiheiten und eine weitere Form von Macht. Etwa diese: Einfach nicht lachen. Dann ist Ihr Gegenüber zurückgeworfen auf seine Ohnmacht, die er durch Humor zu kaschieren versuchte.

DANIELA ZINSER, 32, ist tazzwei-Redakteurin und schon oft mit Ironie gescheitert