Auf der Suche nach Billigjobs

Ein-Euro-Jobs schaffen Arbeit – in den Bezirksämtern. Wie die Bezirke und Arbeitsagenturen in Berlin 50.000 Jobs vermitteln wollen, bleibt ihnen überlassen. Nicht alle Stadträte sind begeistert. Manch einer befürchtet Lohndumping

Die Umsetzung der Hartz-IV-Reformen hält die Bezirksämter derzeit mächtig auf Trab. Folgt man den Plänen von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in Sachen Ein-Euro-Jobs, dann müssten in Berlin 50.000 solcher Jobs geschaffen werden. 90 Millionen Euro braucht Berlin dafür vom Bund.

Und so soll das Ganze funktionieren: In den nächsten Wochen unterzeichnet die Stadt mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit einen Rahmenvertrag, der die Einrichtung von zwölf Jobcentern vorsieht. Jeder Bezirk bekommt also sein eigenes Center. Diese Jobcenter sollen für die Betreuung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger zuständig sein. Soziale Einrichtungen wie Altenheime, Kindertagesstätten oder Vereine können dort Ein-Euro-Stellen beantragen. Die Jobcenter vermitteln anschließend die Stellen an die Arbeitslosen.

Arbeitslosengeld-II-Empfänger sollen dann für eine Aufwandsentschädigung von ein bis zwei Euro pro Stunde Fahrradwege bauen, öffentliche Grünanlagen pflegen oder Kitas renovieren. Das Arbeitslosengeld II und weitere Beihilfen wie Wohngeld werden ohne Abzug weiter ausgezahlt. Ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger kann auf diese Weise ein Nettoeinkommen von bis zu 900 Euro erreichen, schätzt die Sozialverwaltung. Arbeitslosen, die einen solchen Job ablehnen, kann das Arbeitslosengeld II gekürzt oder – bei unter 25-Jährigen – ganz gestrichen werden.

Bei der Einrichtung der Ein-Euro-Jobs sind der Fantasie Grenzen gesetzt: Die Arbeit soll gemeinnützig sein und keine Stellen im ersten Arbeitsmarkt gefährden. Wie die Bezirke sicherstellen wollen, dass die Ein-Euro-Jobs diese Kriterien erfüllen, ist noch unklar. Eine Überlegung: Es könnten Beiräte eingerichtet werden, in denen MitarbeiterInnen der Bezirke und der Arbeitsagentur vertreten sind.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass mit den Ein-Euro-Jobs Lohndumping betrieben wird“, sagt Michael Büge (CDU). Der Neuköllner Sozialstadtrat geht davon aus, dass zukünftig nicht darauf geachtet wird, dass die Jobs wirklich zusätzlich entstehen. Er rechnet damit, dass bestehende Stellen dadurch ersetzt werden. Büge kann sich aber vorstellen, Ein-Euro-Jobs in der Stadtreinigung zu schaffen. Seine Mitarbeiter hält der CDU-Politiker an, sich weitere Einsatzmöglichkeiten zu überlegen.

Martina Schmiedhofer (Grüne), Stadträtin für Soziales im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, fallen auf Anhieb „unendlich viele Einsatzmöglichkeiten“ ein. „Ich glaube, dass ganz viel möglich ist. Umso dichter man am ersten Arbeitsmarkt dran ist, desto besser.“ Schmiedhofer glaubt, dass Arbeitslose durch die Ein-Euro-Jobs wieder an das Arbeitsleben herangeführt werden und vielleicht auch neue Berufszweige ausprobieren können. Deshalb spricht sie sich dafür aus, das Programm auch auf private Beschäftigungszweige auszudehnen. Einen Verdrängungseffekt befürchtet sie nicht, da es sich häufig um Hilfsarbeiten handele.

Befürchtungen in Neukölln, Zustimmung in Charlottenburg-Wilmersdorf und wie sieht es in Mitte aus? „Es gibt Personenkreise und Aufgaben, wo diese Maßnahme Sinn macht“, sagt SPD-Sozialstadtrat Christian Hanke. „Insgesamt strebe ich jedoch vermehrt Eingliederungsmaßnahmen mit Qualifizierung an.“ Hanke will sich für Programme einsetzen, die den Arbeitslosen die Möglichkeit bieten, Zertifikate zu erwerben, die ihnen den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt erleichtern. In Mitte wurden Arbeitslose bisher beispielsweise als Telebus-Begleiter eingesetzt; mit der Möglichkeit, den Führerschein und den Personenbeförderungsschein zu erwerben. Hanke will sich nicht vorschreiben lassen, wie viele Ein-Euro-Stellen er zu schaffen hat. Gespräche mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) und dem Arbeitsamt sind geplant, um die Art und die Anzahl der Stellen festzulegen.

Die Stellungnahmen der drei BezirkspolitikerInnen bestätigen, was DGB-Arbeitsmarktexperte Johannes Jakob vermutet: „Wie die Maßnahme realisiert wird und ob es zu einer Verdrängung regulärer Arbeitsplätze kommt, hängt sehr stark von den örtlichen Akteuren ab.“ MIRJAM DOLDERER

FELIX WADEWITZ