„Wir werden durchhalten“

Der Palästinenser Dr. Haidar Abd-el Shafi plädiert für eine Fortsetzung der Initifada in anderer Form: „Wir sollten einen reinen Verteidungskampf führen“

taz: Herr Dr. Abd-el Shafi: Sie waren immer gegen den Osloer Friedensprozess, warum?

Haidar Abd-el Shafi: Ich sah bei den gleichzeitigen Verhandlungen in Madrid, dass der Weg verbaut ist. Das erste, worum wir die Israelis baten, war die Beendigung der Siedlungsaktivitäten. Unsere Forderung war legitim; die Israelis lehnten ab. Ich riet deshalb unserer Führung, den Prozess auszusetzen, bis die Israelis ihre Haltung verändern. Dann informierte mich Jassir Arafat über die Osloer Verhandlungen. Ich hielt das Abkommen für schlecht, weil es viele Fragen offenließ. Außerdem blieb Israel in der stärkeren Position und würde das letztendlich ausnutzen. Arafat überzeugte das nicht. Wir sehen, was herauskam.

Glauben Sie, dass ein Gesamtpaket, wie es später der israelische Premie Barak versuchte, erfolgversprechender gewesen wäre?

Die Meinungen über Baraks Vorschläge gingen auseinander. Ich persönlich mochte sie nicht. Ich bin überzeugt, dass die Israelis nicht gewillt sind, uns einen lebensfähigen Staat zuzugestehen.

Wen meinen sie, wenn sie von „den Israelis“ sprechen?

Die zionistische Führung.

Nur Scharon oder auch Barak, Schimon Peres und andere?

Alle, jede zionistische Führung.

Was schlagen sie vor?

Wir müssen uns neu organisieren, um für unsere Sache zu kämpfen und die israelische Führung davon zu überzeugen, dass sie nicht mit allem, was sie sich vorstellt, durchkommen kann.

Also die Intifada fortsetzen?

Ja, aber in einer veränderten Form. Wir sollten einen reinen Verteidigungskampf führen. Unsere heutigen militärischen Operationen spielen den Israelis in die Hände. Wir müssten - und das hätte Aufgabe der Führung sein sollen - die Intifada nicht auf spontane und emotionale Art führen, sondern organiseren. Unsere Militäroperationen müssen strikten Verteidigungscharakter haben. Nur so können wir die Sympathie der liberalen Welt gewinnen.

Angenommen, Sie hätten die Sympathie der demokratischen Staaten, was dann?

Wir können die Israelis auf einem Gebiet schlagen: Wir verfügen über eine größere Fähigkeit, Schwierigkeiten und Not auszuhalten. Es wird lange dauern, aber wir werden es durchhalten.

Glauben Sie, dass die militanten Widerstandsgruppen dazu zu bewegen sind, den Kampf strikt auf die Verteidigung zu begrenzen?

Wir versuchen schon seit zwei Jahren, eine gemeinsame Resolution, die demokratisch verabschiedet wird und für alle bindend ist, zu erarbeiten. Noch fehlt der Wille, das auch umzusetzen. Es ist klar, dass wir nichts in Tel Aviv zu suchen haben. Wir müssen gegen die Siedlungsaktivitäten und gegen Scharons Militäraktionen kämpfen.

Inwieweit hat Arafat den Prozess aufgehalten?

Die Palestinian Authority zeichnet sich von Beginn (1994) an durch einen Mangel als Organisation aus. Das ist das größte Versagen Arafats. Ich glaube, er fühlt, in einem Stadium der Organisation nicht überleben zu können.

Was wäre, wenn Israel ihn des Landes verweisen würde?

Mich beunruhigen nicht so sehr Einzelpersonen. Wenn er geht, kommt ein anderer. Was ich möchte ist Organisation, ein verändertes Prinzip.

Gibt es Anzeichen dafür, dass diese Organisation kommt?

Keine, leider. Es tut mir leid, das zu sagen. INTERVIEW: SUSANNE KNAUL