Auf die Reservebank, bitte!

Frauen in Herrenmannschaften? Beim Unihockey keine Seltenheit. Jetzt aber hat der niedersächsische Unihockey-Verband es Frauen untersagt, regulär in den so genannten Herren-Ligen mitzuspielen. Eine Spielerin aus Bremen wehrt sich vehement

„Wenn es in einer Mannschaft Homosexuelle gibt, sagt ja auch keiner: Die sollen nicht mitmachen, wir fühlen uns gehemmt.“

aus Bremen Imke Schridde

Die Luft steht. Es riecht nach Schweiß. Ein Unihockey-Spiel in der Verbandsliga Herren. Der Spielstand: Unentschieden, die Zeit ist fast abgelaufen. Da passiert es – ein wendiger Spieler mit Basecap führt den Unihockey-Ball geschmeidig vor sich her und schlägt: das entscheidende Tor. Das Basecap fällt zu Boden, zum Vorschein kommt langes blondes Frauenhaar.

In der Werbung ist das so oder in kitschigen Filmen. Nicht in der Realität.

Den männlichen Spielern fällt dann die Kinnlade herunter. Nichts ist jetzt mehr wie zuvor. Einer Frau muss natürlich der Hof gemacht werden. Jetzt noch gegeneinander spielen? Ein Ding der Unmöglichkeit. Gegen Frauen kann man nicht in aller Härte antreten oder sie gar – wenn es sich spieltaktisch als richtig erweist – foulen, auf gar keinen Fall. Sportsmänner sind schließlich Gentlemen.

Was die Argumente betrifft, unterscheidet sich Kitsch vom wahren Leben nicht.

Denn so in etwa lautet die Begründung der Gegner von gemischten Sport-Teams. Männer seien viel gehemmter, wenn sie gegen Mannschaften anträten, in denen auch Frauen seien, und sie würden dann folglich weniger gut spielen. „So ein Quatsch“, sagt Tina Hayessen. „Man kann sich seine Gegner nicht aussuchen. Wenn es in einer Mannschaft Homosexuelle gibt, sagt ja auch keiner: Die sollen nicht mitmachen, wir fühlen uns gehemmt.“

Hayessen spielt seit fast zwei Jahren Unihockey im Verein. In Bremen-Uphusen. Und sie spielt gut. So gut wie ihre männlichen Teamkollegen. Aber als Mann hat sie sich bisher nicht ausgegeben. Musste sie auch nicht. Denn von Beginn an versprach sie dem Verein Erfolg. So wie andere Unihockey-Frauen auch. Klar also, dass sie bei den Herren mitspielen sollte. Von denen gab’s nicht genug gute. Und: Es stand ja nirgends, dass das verboten ist. Dass Frauen – zumindest in der Verbandsliga – nicht auch bei den Herren mitspielen dürfen. Der Unihockey-Verein Bremen-Uphusen freute sich. Der Landesverband sagte nichts. Alle wollten den Erfolg. Und dadurch mehr Prominenz für den noch wenig bekannten Mannschaftssport Unihockey. In die Hände gespuckt und sich ins Männer-Fäustchen gelacht; wenn eine der jungen Frauen mal wieder einem etwas zu selbstbewussten männlichen Gegner den Ball abnahm.

Hayessen geht es aber gar nicht so sehr um dieses spezielle Triumphgefühl gegenüber den Männern. „Wenn du richtig spielst, vergisst du eh, gegen wen du spielst“, sagt sie. „Dann willst du nur noch gewinnen.“ Und natürlich müsse das Gefühl zur Mannschaft stimmen. Es gehe beim Sport doch auch darum, mit seiner Mannschaft beim Trainieren Spaß zu haben. Mit einer weiteren Frau und vier Männern aus ihrer heutigen Mannschaft hat Hayessen gemeinsam angefangen Unihockey zu spielen. Damals noch an der Universität. (Der Name hat übrigens nichts mit Universitäten und Unisport zu tun.) Gemeinsam ist die Sechsergruppe dann in den Verein gewechselt. Jetzt will Hayessen auch weiterhin mit ihnen zusammen besser werden. Eine neue Regelung des Landesverbands jedoch verbietet ihr nun das reguläre Spiel in ihrer alten Mannschaft. Nur noch bei zwei Saisonspielen dürfen Frauen bei den Herren mitspielen. Ansonsten nur im Notfall – als Ersatz also, wenn mal zu wenig Männer zu Verfügung stehen.

„Die machen mich jetzt im Verein zum Mitglied zweiter Klasse“, empört sich Hayessen. Und das, obwohl der Verein in Bremen-Uphusen gar nichts gegen gemischte Mannschaften hat – zumindest solange sie erfolgreich sind. „Das sind wir“, sagt Hayessen. Auch deshalb, weil sich die Mannschaft untereinander so gut versteht. Aus dem Team will erst recht niemand auf die beiden Spielerinnen verzichten.

Der Präsident des niedersächsischen Unihockey-Bundes, Michael Lachenmaier, betont immer wieder: „Die Präsidentin der Spielkommission, die den Vorschlag gemacht hat, ist doch selbst eine Frau.“ Und auch der halbe Vorstand bestehe doch aus Frauen. Sie hätten die Vorschriften geändert, um das Damen-Unihockey zu fördern. Dessen Entwicklung sei weit weniger gut gediehen als das der Männer. Die guten Frauen sollten da mitspielen. Und, fügt Lachenmaier hinzu: „Normalerweise sind Frauen einfach langsamer als Männer. Für sie ist es dann schwer, in fortgeschrittenen Mannschaften mitzuhalten.“

Damit aber trifft er nicht den Punkt von Hayessens Argumentation. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen mit den Männer mithalten können, sei schon gering genug, sagt sie. Aber wenn Frauen so stark spielen wie die Männer ihrer Altersklasse, warum sollten sie dann ausgegrenzt werden? Das versteht die Studentin nicht. „Die wollen einer natürlichen Auslese vorgreifen.“ Das sei unfair und sportlich unlogisch. Denn wenn Frauen nicht an die Stärke der Männer heranreichen, werden sie bei Spielen sowieso nicht eingesetzt. Hayessens Wut ist groß. Sie versteht die Welt nicht mehr. Denn eigentlich gäben ihr ja sogar die Gelbkörper-Tests bei den Olympischen Spielen Recht. Dort wird in den Frauenmannschaften nach Undercover-Männern gesucht – aber nicht andersherum.

Es gibt nicht viele Sportarten, in denen Männer gemischt gegen Frauen antreten dürfen: Reiten, Autorennen. Aber das sind keine Mannschaftssportarten. Einige Tischtennisverbände haben ihre Ligen revolutioniert und für gemischte Teams geöffnet. „Wir waren bereits so weit und gehen den Schritt jetzt zurück“, wundert sich Hayessen.

Ach ja, und selbst bei den Berliner Eisbären, die immerhin Bundesliga-Eishockey spielen, durfte eine Frau in die Mannschaft. Allerdings saß sie nur auf der Ersatzbank. Zum Einsatz kam es nicht. Man munkelt, sie habe dort nur aus Werbezwecken gesessen. Um ab und zu ihr Haar zu schütteln.