Konsens zur Kontrolle

AUS BERLIN HANNES KOCH

Europa macht bei der angestrebten Neuordnung der Finanzmärkte Druck und will im Kampf gegen die Krise eine führende Rolle übernehmen. Die Staats- und Regierungschefs wichtiger EU-Länder vereinbarten bei ihrem Treffen gestern in Berlin konkrete Schritte für mehr Transparenz und eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte. Nach einem Treffen der Staats- und Regierungschefs der führenden EU-Staaten in Berlin sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ziel sei es, dass Vertrauen in die Märkte wiederherzustellen. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy betonte, alle EU-Länder wollten, dass der Londoner Weltfinanzgipfel ein Erfolg werde. „Dies ist die letzte Chance.“ Einen Misserfolg könnten sich die führenden Industrie- und Schwellenländer nicht leisten. Es gehe nicht um oberflächliche und vorübergehende Maßnahmen.

Um den G-20-Gipfel der großen Industrie- und Schwellenländer Anfang April in London vorzubereiten, trafen sich gestern die europäischen Regierungen vorab in Berlin. Nach dem Treffen äußerte sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zufrieden, dass man einen gemeinsamen Versuch zur stärkeren Regulierung der Finanzmärkte unternehmen wolle.Wie es im Umkreis des Treffens hieß, habe Frankreichs Staatspräsident Sarkozy Finanzminister Steinbrück den Erfolg eines detaillierten Regulierungsplanes, der eigentlich fertig sei, nicht zubilligen wollen.

Bei der Kontrolle der transnational tätigen Banken mahnten die Regierungschef und Finanzminister mehr Eile an. Für die meisten der 35 wichtigsten globalen Finanzhäuser sind mittlerweile neue Aufsichtsgremien geschaffen worden. In Deutschland werden nun die Deutsche Bank und die Allianz AG von Kontrolleuren unter anderem aus Großbritannien und den USA regelmäßig überprüft. In anderen Staaten ist dieser Prozess allerdings noch nicht so weit fortgeschritten. Welche das sind, wurde nicht erklärt.

Die neuen Aufsichtskollegien sind ein guter Anfang, aber mehr auch nicht. Während die Deutsche Bank und die Allianz künftig unter Kontrolle stehen, hat man beispielsweise für die viel stärker von der Krise betroffenen Institute Commerzbank und Hypo Real Estate solche Kontrollgremien nicht vorgesehen. Und über eine gemeinsame globale oder auch nur europäische Bankenaufsicht wurde nicht einmal gesprochen. Die Hauptlast der Kontrolle werden auch künftig die nationalen Aufsichten tragen müssen – in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Bundesbank. Diesen allerdings fehlen oft die Informationen, um das Treiben der einheimischen Institute im Ausland zu beurteilen.

Was eine globale Finanzaufsicht betrifft, waren sich die Regierungschef und Finanzminister grundsätzlich einig, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem Forum für Finanzstabilität (FSF) mehr Kompetenzen zu übertragen. Welche das genau sein sollen, ist noch unklar. Damit die großen Schwellenländer diesen Prozess mittragen, haben die Industriestaaten eingewilligt, China und Indien ins FSF aufzunehmen. Im Forum sitzen die Finanzministerien, Notenbanken und Aufsichtsbehörden der Mitgliedsländer.

Besonders erwähnte Merkel, dass bis Anfang April eine Liste erstellt werden müsse, die Steueroasen verzeichne, in denen intransparente Geschäfte abliefen. Um solche Territorien und Institutionen zur Kooperation zu bewegen, sprach sich Merkel für neue „Sanktionen“ aus. Setzen die Bundesregierung und die EU diese Absicht um, dürfte die Luft für die Schweiz, Liechtenstein, aber auch für die britischen Kanalinseln dünner werden.

Beim Londoner Gipfel wollen Merkel, Brown und Sarkozy mit den Regierungen unter anderem der USA und Chinas über eine „Charta für nachhaltiges Wirtschaften“ sprechen. Merkel schwebt vor, die Prinzipien sozialer Marktwirtschaft weltweit zu kodifizieren und von einem neuen Wirtschaftsrat der Vereinten Nationen überprüfen zu lassen.