Auf den Streik folgt der Rausschmiss

Afrikanische Angestellte der Hotelkette Accor in Paris setzten in einem Arbeitskampf wesentliche Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen durch. Ein Jahr später wird die Streiksprecherin gefeuert. Die Gewerkschaft ruft zu einem Protesttag auf

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Wenn Sie schon einmal in dem Ibis-Hotel an der Pariser Porte d’Orléans übernachtet haben, hat Faty Mayant Ihnen vielleicht das Bett gemacht. Oder die Badewanne geputzt. Die 44-jährige Senegalesin war jahrelang „Zimmermädchen“ in dem Hotel, das der Kette „Accor“ gehört, die weltweit 4.000 Hotels betreibt. Faty Mayant arbeitete zu den branchenüblichen Bedingungen: Vier Zimmer die Stunde, für 1 Euro 52 pro Zimmer – rund 800 Euro im Monat. Wenn ein Zimmer besonders dreckig war oder Gäste ihr Zimmer erst spät räumten, musste sie Überstunden machen. Unbezahlt, versteht sich. Genau wie die Essenspausen.

Im März 2002 tritt Faty Mayant gegen ihre Arbeitsbedingungen in den Streik. Zusammen mit 20 Kolleginnen, die ebenfalls aus westafrikanischen Ländern – darunter Mali und Mauretanien – stammen und in verschiedenen Hotels der Kette arbeiten. Die Streikenden können nur gebrochen Französisch und sind kaum des Lesens und Schreibens mächtig. Obwohl ihr Patron, das Subunternehmen „Arcade“, sehr schnell acht Frauen entlässt, und obwohl die großen Gewerkschaften und die Öffentlichkeit ihre Aktion lange komplett ignorieren, halten die Streikenden durch. Nach fast zwölf Monaten tragen sie einen Sieg davon: Alle werden wieder eingestellt, ihr Patron Arcade zahlt einen Teil ihres während des Streiks ausgefallenen Lohns, und ihr Arbeitsrhythmus wird gesenkt.

Der am wenigsten erwartete Erfolg der afrikanischen „Zimmermädchen“ und ihrer Sprecherin Faty Mayant ist, dass Accor, größte Hotelkette Europas, eine „Ethik-Charta“ unterzeichnet. Darin verpflichtet die Kette sämtliche Subunternehmen auf so grundsätzliche Dinge wie einen menschlichen Arbeitsrhythmus und darauf, dass ihre Beschäftigten auch für jede gearbeitete Stunde bezahlt werden.

Jetzt hat Faty Mayant die Quittung erhalten. Sie selbst nennt es: „die Rache für den Streik“. Das Subunternehmen Arcade, für das sie seit mehr als acht Jahren arbeitete und bei dem sie für die kleine Gewerkschaft „Sud“ im Betriebsrat saß, hat sie fristlos entlassen. Begründung: Faty Mayant habe ihre „Gewerkschaftszeit überzogen“.

Die „Zimmermädchen“ des Subunternehmens Arcade haben schon lange gespürt, dass einige der eingetretenen Verbesserungen wieder schrumpfen. „Sie mussten wieder mehr Zimmer pro Stunde putzen“, berichtet Jean-Pierre Tavernier, der Sekretär der zuständigen Gewerkschaft „Sud“. Seine Organisation ruft für heute zu einem internationalen Protesttag auf – gegen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Hotelkette Accor. Die Gewerkschaft fordert KundInnen auf, vorerst nicht in den Hotels dieser Kette zu übernachten (Ibis, Novotel, Mercure, Sofitel, Etap, Formule 1, Parthenon, Coralia, Thalassa, Motel 6 und Atria). Ein mehrsprachiges Flugblatt findet sich im Internet (www.sudrail.org).

Die Direktion der Hotelkette Accor fühlt sich „nicht zuständig“ für die Entlassung der einstigen Streiksprecherin, die jahrelang in einem ihrer Hotels geputzt hat. „Der Arbeitgeber ist ein externer Dienstleister“, erklärt Accor-Sprecherin Marie-Claire Camus. „Wir haben kein Recht, uns in die internen Angelegenheiten eines anderen Unternehmens einzumischen.“ Von der Gewerkschaft Sud verlangt die Hotelkette, dass sie die Veröffentlichung von „verleumderischen und geschäftsschädigenden Texten“ unterlässt.

Die fristlos gekündigte Faty Mayant sagt: „Ich bereue nichts. Die Kolleginnen verdienen heute besser.“ Als die Senegalesin im Februar 2001 zur gewerkschaftlichen Vertreterin gewählt wurde, bekam sie eine radikale Lohnerhöhung auf 1.200 Euro von ihrem Arbeitgeber. „Ich sollte den Mund halten“, sagt sie, „das habe ich nicht getan.“