„Es ist nicht schlimm, wenn das Album als Kunstform verschwindet“, sagt Frank Spilker

Der Sänger der Band Die Sterne glaubt, dass die Krise der Konzerne für Musiker vor allem Chancen birgt

taz: Herr Spilker, mit Ihrer Band Die Sterne haben Sie sieben Alben produziert. Auf neue Trägermedien wie iPod kann man sich nun einzelne Songs aus dem Internet laden. Was bedeutet das für die Popmusik?

Frank Spilker: Das Album als Kunstform geht verloren, zumindest in ihrer derzeitigen Verbreitung.

Ist das ein Verlust?

Sicher, aber da sollte man nicht wehleidig sein. Es muss ja heute nicht so funktionieren wie vor fünfzig Jahren. Denn es ist ja grundsätzlich so: Wenn das Ereignis, also die Musik da ist, dann finden sich die Datenträger darum herum auch. Man sollte nicht kleben an einer Idee. Es gab ja vor der LP erst mal zwanzig Jahre lang nur Singles, und auch die CD stellt künstlerisch gesehen ganz andere Bedingungen als eine Vinyl-LP. Ich bin mir sicher, die Musikbranche kann auch mit iPod und mit MP3-Dateien funktionieren.

Das heißt, Downloadmedien sind keine wesentlich neue Entwicklung, sondern eher ein weiterer Schritt in einem logischen Prozess?

Ob der logisch ist, weiß ich nicht, aber es gab eben schon früher wesentliche Veränderungen. Die Verbreitung einzelner Titel übers Internet ist nun sozusagen die nächste. Aber für mich persönlich ist es tatsächlich das Wichtigste, dass die Musik Verbreitung findet, egal wie.

Egal wie? „Copy kills music“ lehrt uns der Aufdruck auf vielen CDs heute. Die Musikindustrie bekämpft die neuen Verbreitungswege mit dem Argument, sie zerstörten ihre Grundlage.

Ich hasse diese ganzen Maßnahmen. „Copy kills music“ auf die CD zu drucken und einen Kopierschutz draufzumachen, das verdirbt den Spaß und macht das Medium CD nur noch unattraktiver. Bevor man sich eine CD mit Kopierschutz kauft, lädt man sie sich doch lieber gleich aus dem Internet, so ist es doch. Die Tatsache, dass weniger CDs verkauft werden, ist mehr ein Finanzierungsproblem als ein inhaltliches.

Die britische Popsängerin Dido sagt im „Stern“, die Krise der Musikindustrie liege nicht an den neuen Technologien, sondern an der Ideenlosigkeit der großen Labels.

Was Dido den großen Labels vorwirft, ist ein alter Hut: Was einmal erfolgreich war, wird gnadenlos nachgeäfft. Selbstverständlich sind sie wie ein träger Beamtenapparat, denn sie sind groß und hierarchisch organisiert. Und so kommt es, dass die einzige Lösung, die ihnen im Moment einfällt, die ist, sich bis zur Selbstauflösungsgrenze zu verkleinern. Also keine.

Die Konzerne trennen sich teilweise von zwei Dritteln ihrer Künstler.

Sie haben sich ausgerechnet, dass der sinkende Verkauf von CDs nicht mehr rechtfertigt, so viele Künstler zu haben. Andererseits bedeutet das für eine Menge relativ etablierter Bands, dass sie frei sind. Das könnte eine Chance für die kleineren Labels und Vertriebe sein.

Also kann die Krise für die kleinen Independent-Labels auch Gutes bedeuten?

Das ist die optimistische Sicht der Dinge. Dafür spricht, dass sie meist aus einer Szene heraus gegründet sind und sehr gut wissen, was in dieser Szene passiert. Sie können auf ein Publikum reagieren, das nicht so tickt wie die meisten und sich eben nicht nur die besten Songs einer Produktion im Peer-to-peer-Service runterlädt, sondern speziell an einer Band interessiert ist.

Gibt es genug Fans, um die kleinen Labels zu erhalten?

Die Prognose ist schwierig. Es gibt Fans. Ob es genug sind, weiß ich nicht. Wichtiger ist, wie viel sie auszugeben bereit sind. Die pessimistische Sicht der Dinge wäre übrigens, dass die kleinen Labels wieder herausfinden müssen, wie es in Zukunft funktionieren könnte, und die großen es dann später nachmachen.

Wie könnte es denn in Zukunft funktionieren?

Die Strukturen im kleineren Indiebereich werden sich wohl ändern müssen, um mit der neuen Situation fertig zu werden. Entscheidend ist, woher die Gelder kommen, mit denen Marketing und Vertrieb der Musik bezahlt wird. Wenn die CD-Verkäufe das nicht mehr hergeben, muss man das eben durch Konzerteinnahmen hereinholen. Es könnte auch so sein, dass Künstler sich selbst eine Plattenfirma oder ein Marketing holen. Eigentlich braucht es nur ein Management und ein paar Dienstleister, um eine Platte zu vermarkten, und natürlich das unternehmerische Engagement. Das könnte ein Geschäftsmodell sein, das in Zukunft einfach durch elektronische Medien und einen Vertrieb möglich ist.

Aber würde das nicht auch bedeuten, dass mehr kleine Bands ihre Musik veröffentlichen können?

Ich glaube, das Veröffentlichen ist heutzutage auch kein Problem mehr. Die Produktionskosten sind niedrig, und im Zweifelsfall kann jeder seine Musik elektronisch vertreiben. Das Problem ist eher das Bekanntwerden. Wenn man das geschafft hat, könnte es in Zukunft sogar leichter sein. Es könnte viele kleinere Bands geben, die dann sagen, wenn Labels keine Platten machen, weil sie damit nichts verdienen, dann müssen wir das Pferd eben andersherum aufzäumen.

INTERVIEW: KLAUS RAAB