Anspruchsvoller Rummel

In Barcelona zieht das „Forum 2004 – Weltforum der Kulturen“ scharenweise Besucher an. Theater zu Politik- und Umweltthemen sowie viele Ausstellungen sollen Visionen Raum geben

VON BETTINA BREMME

Spanien im Sommer. Alles, was Beine hat, entflieht dem dampfenden Asphalt der Städte und aalt sich an den Stränden. Doch eine Stadt bietet tapfer dem Trend Paroli: Barcelona, die katalanische Metropole an der Mittelmeerküste, versucht dieses Jahr TouristInnen und Einheimische mit einem Kultur- und Bildungsevent zu locken, dessen Größe, Fülle und Vielfalt wohl derzeit weltweit einmalig ist. Das „Forum 2004 – Weltforum der Kulturen“, das noch bis 26. September stattfindet, hat sich kein geringeres Ziel gesetzt als die unterhaltsame und massenwirksame Thematisierung so existenzieller Themen wie kulturelle Vielfalt, Frieden und ökologische Nachhaltigkeit.

Herzstück des Geschehens ist das Forumsgelände, das eigens zu diesem Zweck am Rande Barcelonas auf mehr als 30 Hektar Fläche aus dem Boden gestampft wurde. Für 21 Euro Eintritt pro Tag kann man sich hier tagtäglich mit Kultur und Wissen voll stopfen.

Nicht Disneyland, sondern eher das alternative Theater hat Pate gestanden. Schon beim ziellosen Schlendern über das Forumsgelände fühlt man sich wie auf einem Multikulti-Jahrmarkt für gehobene Ansprüche. Mal zieht eine brasilianische Theatergruppen mit Candomblé-Kostümen auf Stelzen vorbei. Dann wieder geben sich im Hafenbecken riesige aufblasbare Puppen, die „Fantótems“, ein lautstarkes Stelldichein auf Katalanisch. Oder eine Armada aus Rieseninsekten bahnt sich den Weg. Die geflügelten Monster werden, ganz ökologisch nachhaltig, von Muskelkraft vorangetrieben. In ihren metallenen Unterkörpern sitzen schwarz gekleidete menschliche Gestalten und strampeln sich ab.

Mehrmals am Tag schlägt auf einer Freiluftbühne die Stunde des „Giganten der sieben Meere“, eines riesigen ockerfarbenen Monstrums aus Metall und Pappmaschee. Die Show, die um das Thema Meeresverschmutzung kreist, bietet allerdings einen etwas konfusen Mix aus Gesellschaftskritik und akrobatischen Schauwerten. Sollen die Artisten, die auf knatternden Motorrädern über die Bühne heizen, als Öko-Buhmänner vorgeführt werden? Oder dienen ihre halsbrecherischen Darbietungen primär der Unterhaltung der großen und kleinen Kinder im Publikum? Wahrscheinlich beides.

Klarer ist da schon die Botschaft der bekannten katalanischen Theatergruppe „Els Comediants“, die ebenfalls mehrfach am Tag aufspielt. Ihr naiv-melancholisches Spektakel „Der Baum der Erinnerung“ spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft: Die wenigen Überlebenden einer globalen Apokalypse basteln und nageln sich aus Trümmern einen Baum zusammen. Vor den Augen des Publikums entsteht ein wundersames Artefakt mit Blättern aus durchlöcherten smaragdgrünen Schirmchen. Zum Schluss wehen handgepinselte Banderolen im Wind. Auf ihnen stehen in mehreren Sprachen Worte wie „Dialog“, „Freiheit“ und „Zärtlichkeit“. Fast könnte man den „Baum der Erinnerung“ als Metapher für den Charme und die gleichzeitige Begrenztheit all dessen sehen, was nicht organisch gewachsen, sondern lediglich dem Leben nachempfunden ist.

So auch das Forum: ein gigantisches Unterfangen, von oben geplant und gut gemeint. Nun soll der schöpferische Funke überspringen. An Angeboten für fast sämtliche Interessengebiete mangelt es keinesfalls. Allein schon die Ausstellungen auf dem Forumsgelände reißen eine Fülle von Themen an: von der Grabkunst chinesischer Krieger der Xi’an-Ära bis hin zu den Demonstrationen gegen den Irakkrieg, von globaler Sprachenvielfalt bis hin zu Tätowierungskunst, von so genanntem ethischem Banking bis hin zum Leben in den Megastädten des 21. Jahrhunderts.

Die meisten Ausstellungen sind hervorragend aufgemacht und politisch hyperkorrekt. Bei einigen wenigen ist allerdings der Einfluss der Ko-Sponsoren des Forums aufdringlich zu spüren: So hat Toyota einen ganzen Pavillon zur Verfügung, um seine Prototypen eines „ökologisch nachhaltigen“ mit Wasserstoff angetriebenen Autos zu präsentieren, darunter auch mehrere Rennwagen.

Gleich nebenan dagegen wird in der visuell und didaktisch höchst beeindruckenden Ausstellung „Die Welt bewohnen“ für eine Abkehr von der Verschwendungsgesellschaft geworben: Unter anderem gibt es eine Multimedia-Installation, in der simuliert wird, wie sich eine vom Verkehr verstopfte Kreuzung in ein autofreies Idyll verwandelt.

Das kommt an: Seit Forumsbeginn Mitte Mai wurden bereits über eine Million Eintrittskarten verkauft.

Der Eintritt für das Forumsgelände beträgt für Erwachsene 21 Euro (1 Tag) bzw. 42 Euro (3 Tage). Wer ab 20.30 Uhr aufs Gelände möchte, zahlt sonntags bis donnerstags 12 € und freitags und samstags 15 €. Das komplette Forums-Programm im Internet unter www.barcelona2004.org