Schwarzer Freitag für Familien

Prügel für Langes gute Scheine: Am Tag eins der Kita-Reform gehen Eltern,Erzieher und Kritiker zum Nahkampf gegen das Gutscheinsystem über

Das wird vermutlich kein Jubeltag für Bildungssenator Rudolf Lange (FDP): Heute fällt offiziell der Startschuss für das Kita-Gutscheinsystem, der Protest formierte sich schon gestern. Das Gesetz sei sowohl kinder- als auch frauen- und familienfeindlich, heißt es in einem offenen Brief der „Elterninitiative für familiengerechte Betreuung“ an CDU-Bürgermeister Ole von Beust. „Kinder von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern werden ausgegrenzt und vorschulische Bildung zum Privileg gemacht“, kritisiert sie. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion sowie etliche Elternorganisationen riefen den heutigen Tag zum „Schwarzen Freitag für Familien“ aus.

Das Diakonische Werk versicherte gestern, sich in den 161 evangelischen Kindergärten auch weiterhin für eine Betreuung in dem von den Familien benötigten Umfang einzusetzen. Dennoch räumt die Diakonie dem heiß umkämpften Projekt Chancen ein, hieß es in einer Erklärung. „Wir werden die Anfangsphase kritisch begleiten.“

Die GAL-Abgeordnete Sabine Steffen hob ausschließlich die Versäumnise des Gesetzes hervor: Fehlende Plätze, Unsicherheit sowohl über die Positionen auf der Warteliste als auch über die Auslastung der einzelnen Einrichtungen. Steffen zeigte sich besorgt darüber, dass Tausende von Eltern leer ausgegangen sind und weniger Kinder aus sozial schwachen Familien oder mit Migrationshintergrund in öffentlichen Einrichtungen betreut werden. „Förderung und Integration werden heruntergefahren und die Perspektiven von Frauen mit Kindern auf eigene Berufstätigkeit beschnitten“, so Steffen. Gleichzeitig warf sie dem Senat Versagen in der Familienpolitik vor. Mit einer Kampfansage meldete sich der Verein FamilienPower zu Wort und kündigte für den Tag eins der Kita-Gutscheine Proteste von leer ausgegangenen Eltern und entlassenen ErzieherInnen an.

Nach dem System von Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) werden ab heute Kita-Plätze nach Priorität gestaffelt vergeben, um mit begrenzten Mitteln rund 69.000 Betreuungsplätze zu schaffen. Problematisch scheint weniger die Einführung des Systems zu sein als mehr das Nichtexistieren von 4.000 dringend benötigten Gutscheinen.

Zum offiziellen Start besucht der Senator heute Vormittag die Kindertagesstätte in der Schedestraße in Eppendorf, um sich vor Ort über die Umstellung auf das neue System zu informieren und wesentliche Neuerungen zu erläutern. Vorab bekräftigte die Behörde erneut die angeblichen Vorteile der Reform. Demnach hätten Eltern künftig mehr Wahlmöglichkeiten für die passgenaue Betreuung als jemals zuvor. Zudem kämen Familien um zehn Prozent billiger pro Kita-Platz davon – sofern sie das Glück hatten, einen der Gutscheine zu ergattern.

CHRISTINE KEILHOLZ