AFGHANISTAN: DIE HERRSCHAFT DER WARLORDS GEFÄHRDET FREIE WAHLEN
: Geld gegen Demokratie

„Dich umzubringen ist ganz leicht für uns.“ So heißt der Titel des neuen Afghanistan-Berichts von Human Rights Watch über die anhaltende Warlord-Herrschaft – und mit diesen Worten wurde ein Pro-Demokratie-Aktivist vom Geheimdienst NSD bedroht, damit er seine Kritik mäßigt. Denn: „Wir vertreten nationale Interessen“, meinten die Agenten.

Tatsächlich ist der NSD Schild und Schwert einer Fraktion von Hardcore-Mudschaheddin um Verteidigungsminister „Marschall“ Fahim. Geduldet von aller Welt, hat sie nicht nur von Tag eins an das Petersberg-Abkommen verletzt – das vorsah, Kabul zu entmilitarisieren – und ein Machtmonopol etabliert. Fahim und Co. kontrollieren die Staatsmedien und die Streitkräfte, das Bildungswesen, die Gerichte und viele Provinzverwaltungen. Ihren Machtanspruch leiten sie daraus ab, als einzig wahre Muslime gegen Sowjet-Aggression und Al-Qaida/Taliban-Terrorismus gekämpft zu haben. Nie hat auch nur ein einziger Vertreter der so genannten Weltgemeinschaft öffentlich klargestellt, dass diese Mudschaheddin dank ihrer Zerstrittenheit Mitte der 90er-Jahre erst den Taliban den Weg ebneten und sogar zeitweilig mit ihnen kooperierten.

Um Afghanistan in Richtung Demokratie auf den Weg zu bringen, reicht es nicht – wie mit dem neuen US-Milliardenpaket –, mit Dollars um sich zu werfen, die häufig bei den Warlords im Ministerrang versickern. Zu Recht fragen sich viele Afghanen, wie sie unter deren vorgehaltenen Waffen im nächsten Jahr frei wählen können.

Neben wirtschaftlichem Wiederaufbau ist also politischer Umbau nötig. Die Milizen müssen ihre Waffen abgeben, demokratische Kräfte frei agieren können. Aber die internationalen „Geber“ haben sich bisher weder für ein Parteiengesetz stark gemacht – und zementieren so die Dominanz der Warlords – noch haben sie der UNO ein Mandat für die Wahlen 2004 erteilt. Sie regelt bislang nur die Wählerregistrierung. Und schon dafür fehlen Millionen im Budget. Vielleicht sollte die UNO als Erstes darauf dringen, dass die zehnte Abteilung des NSD aufgelöst wird. Denn sie überwacht in KGB-Manier die politischen Parteien. JAN HELLER