Billigflieger als Wachstumslok

Nordrhein-Westfalen ist ein Eldorado für Billigflieger. Verbände warnen vor Umweltbelastungen und schlechten Arbeitsbedingungen – der Boom würde indirekt subventioniert. Die Fluggesellschaften sehen sich als Wirtschaftslokomotive

von SALVIO INCORVAIA

Ryan Air, Germanwings, Hapag-Lloyd Express, Air Berlin und Easyjet – die Billligflieger sorgen für einen Boom an den Flughäfen in Nordrhein-Westfalen. Doch im Ticket-Eldorado mahnen Umweltverbände, Verbraucherschützer und Gewerkschaften zur Vorsicht: Die extrem niedrigen Flugpreise der Branche seien Resultat von verdeckten Subventionen, eingeschränktem Verbraucherschutz und mangelhaften Arbeitnehmerrechten.

„Die Fluggesellschaften erhalten indirekte Subventionen“, sagt Werner Reh, Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW. Kostenlose Infrastruktur wie beim neuen Flughafen Weeze am Niederrhein und tief gedrückte Flughafengebüren sorgen nach Ansicht des BUND für eine verkehrswirtschaftliche Schieflage.

So wurde am ehemaligen britischen Militärstützpunkt Weeze am Niederrhein mit Subventionen ein modernes Terminal gebaut, mit Abfertigungskapazitäten für jährlich bis zu 2 Millionen Passagiere. Auch rund um den Flughafen wurden neue Verkehrswege geschaffen. Neben dem Billigflugpionier Ryan Air starten inzwischen weitere Gesellschaften von dort.

Auch mit anderen Methoden drücken Billigflieger ihre Ticketpreise in die Tiefe. Ihre Jets haben nur kürzeste Standzeiten, die Logistik wurde reduziert, die Verwaltung verschlankt, Tickets gibt es nur übers Internet, das Personal erhält geringere Gehälter, Flugimbiss und Getränke an Bord gibt es nur gegen Barzahlung.

Hauptgrund für die günstigen Flugtickets sind jedoch die besonders niedrigen Flughafengebühren für die Billigfliegergesellschaften. Sie kaufen die Überkapazitäten der Flughäfen meist für einen Viertel des üblichen Preises für Linienflieger auf. Dabei unterschreiten die Flughäfen bei solchen Verkäufen auch schon mal die Rentabilitätsgrenze. Auch die so verramschten Überkapazitäten werden demnach indirekt von den öffentlichen Kassen, von Kommunen und Land subventioniert.

„Der Verbraucher sollte abwägen. Die niedrigen Preise haben zum einen ihre wirtschaftlichen Ursachen, doch auch der Kunde sollte aus eigenem Interesse vorsichtig sein“, sagt Beate Wagner, Reiserechtsexpertin der Verbraucherzentrale in NRW. Oftmals seien Steuern und Gebühren nicht im Preis enthalten, ebenso wollen viele Gesellschaften nicht für Verspätungen und Flugterminverlagerungen haften. Gerne werde auch ein Haftungsanspruch bei Flugüberbuchung ausgeschlossen. Zudem sind die Start- und Landeflughäfen der Billigflieger oft weit weg von den Metropolen. Die Kosten der Anreise sollten deshalb ebenso berücksichtigt werden.

Die Billigfluganbieter befinden sich weiter im Goldrausch: Lothar Schulz von Air Berlin und des Fluggesellschaftsverbandes ‚International Air Carrier Association‘ (IACA) sagt: „Die Low Carrier haben neue Kunden erschlossen und so neue Arbeitsplätze geschaffen.“ Durch die Preispolitik der Low-Cost-Carrier seien Wirtschaftswachstum und Perspektiven für kleinere Flughäfen geschaffen worden. Das Land NRW habe mit seinen vielen Flughäfen besonders davon profitiert, neue Kunden konnten gewonnen werden.

So können Kunden einen bestimmten Prozentsatz der Flugsitze pro Flugzeug zu 19 oder 29 Euro erwerben. Selbst Tickets in der mittleren Preiskategorie unterschreiten die Angebote der etablierten Airlines bei weitem. Erst am vergangenen Samstag nahm ‚Germanwings‘ eine neue Flugverbindung von Köln nach Krakau auf. Weitere Angebote sollen im Laufe dieses Jahres und 2005 von anderen Fluggesellschaften folgen. So sollen ab Mai 2005 zwei Airlines Billig-Tickets für die USA anbieten; anvisierter Niedrigstpreis: 99 Euro.

Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) verweist auf die schlechten Arbeitsbedingungen bei machen Billiganbieter. „Es gibt Gesellschaften, die keine Tarifverträge haben“, sagt Jan Kahmann, Verkehrsexperte von Verdi. Dort gebe es weder Betriebsräte, noch andere Mitbestimmungsmöglichkeiten. Verdi beurteilt den wirtschaftlichen Effekt dieser Fluggesellschaften als gering. Kahmann sagt: „Insgesamt wurden durch die Billigflieger nicht viele neue Arbeitsplätze geschaffen.“ Sie bedrohen eher die Arbeitsplätze bei den herkömmlichen Fluggesellschaften.