Guantánamo klagt an

Prozesswelle nach Entscheidung zu Guantánamo-Häftlingen erwartet. Oberster Gerichtshof erlaubt Gefangenen, gegen ihre Inhaftierung vor US-Gerichten zu klagen. Niederlage für Bush

WASHINGTON/BERLIN taz ■ Nach dem Urteil des obersten US-Gerichts zugunsten der Gefangenen von Guantánamo haben Anwälte eine Flut von Klagen angekündigt. „Wir werden uns sehr schnell an die Gerichte wenden“, sagte US-Anwalt Joseph Magulies, der mehrere der Männer vertritt. Die Organisation „Zentrum für Verfassungsrechte“, die die Klage im Namen von 14 Häftlingen vor das Oberste Gericht gebracht hatte, erwägt eine Sammelklage im Namen aller rund 600 Gefangenen. Das Justizministerium will sich dafür einsetzen, dass alle Anträge von einem einzigen Gericht gehört werden, berichtete die Washington Post.

Der Oberste Gerichtshof der USA hatte die unkontrollierte Autorität des Präsidenten über das Schicksal gefangener mutmaßlicher Terroristen erheblich beschnitten. In einem richtungsweisenden Urteil entschieden die Verfassungshüter am Montag, dass die Häftlinge auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba das Recht haben, vor amerikanischen Gerichten gegen die Zulässigkeit ihrer Haft zu klagen.

In Guantánamo werden rund 650 mutmaßliche Kämpfer aus 42 Ländern seit zwei Jahren ohne Anklage, Rechtsbeistand und Kontakt zu ihren Familien interniert. Bush erklärte sie als „ungesetzliche Kämpfer“ und verweigerte ihnen damit den Anspruch auf eine Behandlung nach den Genfer Konventionen. Lediglich vier Inhaftierte durften bisher einen Anwalt konsultieren.

Die US-Regierung reagierte auf die schwere juristische Niederlage bisher auffallend wortkarg. Das Pentagon ließ verlauten, immerhin habe das Urteil die Befugnis des Präsidenten bestätigt, „feindliche Kämpfer“ im weltweiten Krieg gegen den Terrorismus gefangen nehmen zu lassen.

Für den Anwalt Bernhard Docke des in Guantánamo gefangenen „Bremer Taliban“ ist das Urteil des Supreme Courts kein Anlass zur Euphorie. Der taz sagte Docke: „Wir stehen jetzt erst am Anfang – und das, worüber wir uns freuen können, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Der Skandal ist doch, dass wir zwei Jahre für die Selbstverständlichkeit kämpfen mussten. Bisher sind wir immer an der Arroganz der Macht abgeprallt.“ Für seinen Mandanten erhofft sich Docke nach einer Prüfung des Urteils schnelle Entlassung. „Ich hoffe aber, dass die Spreu vom Weizen getrennt wird – und also alle Gefangenen, gegen die es keine Beweise gibt, entlassen werden.“ MS, FSF

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