Genossen im Kinderparadies

Die Dortmunder SPD besucht das schwedische Möbelhaus und freut sich über viele Gemeinsamkeiten. Die Partei soll endlich so optimistisch werden wie die Ikea-MitarbeiterInnen

Ikea ist wie die SPD, erkennen die GenossInnen begeistert. Beide wollen die breite Masse ansprechen

AUS DORTMUNDANNIKA JOERES

Vier Millionen Euro Umsatz nur mit Köttbullar und Knäcke. Die Dortmunder SPD-Fraktion nickt anerkennend. 15 GenossInnen sitzen an einem gelb-blauen Tisch und schieben verstohlen Daim-Bonbons in die Münder. Im Dortmunder Ikea wollen sie das Gewinner-Prinzip des schwedischen Möbelriesen abkupfern. Lutz ist Chef der Dortmunder Zentrale, alle dürfen den drahtigen Endvierziger duzen. „Wie bei uns in der Partei“, rufen die GenossInnen begeistert.

Lutz hat ein gelbes Polohemd an und eine bunte Krawatte mit geometrischen Mustern. Er erzählt von King-Size-Betten für dicke Amerikaner und passenden Suppentellern für Asiaten. Und von den hervorragenden Bedingungen für die Mitarbei-terInnen, von Urlaubsgeld, Personalrabatt, kostenloser Ikea-Kluft und davon, dass 90 Prozent fest angestellt sind. Zwei Daim später wollen die GenossInnen aber Tacheles reden. „Jaha“, sagt ein mindestens siebzig Jahre altes SPD-Mitglied und fährt mahnend seinen Zeigefinger in die Höhe: „Aber wieviele davon sind sozialversicherungspflichtig?“, fragt er triumphierend. Auch er hat eine geometrisch gemusterte Krawatte, nur dunkler. Lutz nickt: „Alle neunzig Prozent sind sozialversichert!“ – „Enorm“, sagen die SPDler und gucken sich aufmunternd an. Aber Lutz kann noch einen drauf setzen: „Wir haben auch viele Schwerbehinderte, sogar welche, die geistig etwas behindert sind.“ Der Dieter zum Beispiel, ein echter Hüne, aber da oben, Lutz tippt an seine Schläfe, nicht so helle, bewache ganz hervorragend den Parkplatz. Die Ikea-Lehrlinge nicken zustimmend, das finden sie ganz toll.

Sabine Brauer vom Dortmunder SPD-Wirtschaftsausschuss will nicht nur nette Geschichtchen hören. Im hellblauen Kostüm und mit gezücktem Stift möchte sie wissen, wie denn die Erfahrungen bei der Ansiedlung in Dortmund waren, aber natürlich kann Lutz sie beruhigen, die seien durchweg positiv gewesen. Alles bestens. Brauers Kollege Thomas Ellerkamp meldet sich. „Ich habe eine Frage“, sagt der Schlipsträger. „Haben sie auch neue Vertriebswege gefunden?“. „Eine sehr gute Frage“, lobt Lutz und lässt sich über die tollen Chancen des Internets aus.

Lutz hat einen guten Tag und die GenossInnen haben Glück: Sie dürfen hinter die Kulissen gucken, „da, wo sonst kein Kunde jemals hinkommt.“ Die dunkle Anzugs- und Kostümwolke schiebt sich vorbei an Salsar-Sitzkissen, Mane-Wippbananen und Froschtischen zum Notstromaggregat. „Wir brauchen auch so eine Aufbruchstimmung“, sagt Brauer. Optimismus solle her, das könne die SPD von Ikea lernen. Auch die SPD brauche so Macher, damit die Erfolge endlich sichtbar würden. Überhaupt seien Ikea-Kunden wie SPD-Wähler: „Wir wollen beide die breite Masse“, sagt sie.

Ikea aus dem sozialdemokratischen Modell-Land Schweden hat zumindest mit gewerkschaftsnahen SPD-Kreisen nichts gemeinsam. Jeder zweite Artikel stammt aus Niedriglohnländern. Kaffeebecher aus Rumänien, hier verdienen Arbeiter den Mindestlohn von vier Euro pro Tag. Stoffe aus Turkmenistan, einem der ärmsten Länder der Welt, von einem Despoten beherrscht. Teppiche aus Indien, wo Kinderarbeit zum Alltag gehört. Aber die Dortmunder GenossInnen haben keine Zeit für die arme Welt und dürfen die Feuertreppe hochsteigen. „Also, Ikea ist auf jeden Fall besser als Aldi“, sagt eine Genossin.

Die Gruppe ist auf dem Dach angekommen und bestaunt den 41 Meter hohen Werbeturm. Ein Genosse hat besonderes Glück: Er sieht sein Wohnhaus. „Da, neben dem Kirchturm“, freut er sich. Lutz schwärmt von den hohen Sicherheits-Standards und den 5.000 Quadratmetern Dachgrün, eine Auflage des Umweltamtes, um die zubetonierte Fläche wieder auszugleichen. Ein bisschen mehr Bäume hätten es schon sein können, findet aber Genossin Monika Lührs. Da habe Ikea ja schon andere Ziele als ihre Partei, nicht so ökologische. „Soweit geht die Liebe ja dann nicht.“ Außerdem hätten sie keine Prämien an die Wähler zu verschenken. Aber, seufzt sie, wenn die SPD nicht heute die Sozialsysteme zurecht gerückt hätte, wäre morgen alles zusammengebrochen. Es fehle nur der Optimismus, diese klasse Motivation wie bei den Ikea-Leuten.

Angekommen in der Lager-Halle riechen die GenossInnen prüfend am Lavendel, irren staunend durch die haushohen Palettenstapel. Zehn bis 15.000 Besucher müssten halt bedient werden, sagt Lutz. In der Ecke hängt ein Pin-Up.

Dann ist der schöne Ausflug auch schon vorbei. Die Gruppe bedankt sich überschwenglich. „Dieser Besuch hat uns persönlich Mut gemacht“, sagt Brauer. Leider sei ja die SPD momentan in einer Lage, die nachdenklich mache. Lutz nickt heftig und ruft seinem Publikum zu: „Angst lähmt! Der große Aufschwung kommt!“ Die GenossInnen gehen shoppen.