Neues über das Niger-Dossier

Gelangten die Fälschungen über eine italienische Journalistin nach Washington?

ROM taz ■ Es war nicht der italienische Geheimdienst, der das gefälschte Irak-Niger-Dossier in Umlauf brachte, und die Papiere nahmen auf ihrer Reise nach Washington auch nicht den Umweg über London. Wie die Zeitung Corriere della Sera berichtet, lieferte eine Journalistin des Wochenmagazins Panorama die Dokumente im Oktober 2002 direkt bei der US-Botschaft in Rom ab.

Mittlerweile bestätigten die Panorama-Redakteurin Elisabetta Burba und Chefredakteur Carlo Rossella diese neue Version. Darf man Burba glauben, dann erhielt sie die Schriftstücke über die angebliche Liefervereinbarung von 500 Tonnen Uran zwischen Niger und Irak von einer „privaten Quelle“, die mit dem italienischen Geheimdienst Sismi nichts zu tun hatte. Eine Recherchereise in den Niger habe sie in der Überzeugung bestärkt, dass an der Geschichte nichts dran war. Um aber wirklich klar zu sehen, habe sie – auf Vermittlung ihres Chefs Rossella – das Gespräch mit einigen Vertretern der US-Botschaft in Rom gesucht. Bei ihnen habe sie das Dossier abgeliefert und dann „nie wieder etwas gehört“.

Eine lustige Version, die durch Carlo Rossellas Erklärungen noch lustiger wird. An die amerikanische Botschaft – sprich an die dortige CIA-Dependance – habe Panorama sich gewandt, „damit sie uns sagen, ob die Dokumente glaubwürdig sind oder nicht“; das sei nun mal „der logischste Weg“ gewesen. Die Fälschungen fanden ihren Weg in die Bush-Rede vom 28. Januar, aber – so Rossella – „was aus den Dokumenten wurde, ist nicht meine Angelegenheit“.

Merkwürdig an dieser Geschichte ist nicht nur, dass der Besitzer von Panorama Silvio Berlusconi heißt. Sollte der begeisterte Bush-Anhänger also nicht als Dienstherr des Sismi, sondern privat als Verleger von Panorama die Amerikaner gefüttert haben? Rossella bestreitet das. Er will weder Berlusconi noch die Geheimdienste je eingeweiht haben und habe bloß die USA informiert, den eignen Chef aber im Dunkeln gelassen.

Merkwürdig ist auch, dass Bush in seiner Rede von britischen Quellen sprach und dass die britische Regierung behauptet, die Dokumente vom Geheimdienst eines Drittlandes erhalten und an die USA weitergegeben zu haben. Nicht auszuschließen, dass Rom gleich zweimal Absendeort war – einmal auf dem Geheim-Dienstweg und einmal dank des direkten Drahts eines Berlusconi-Angestellten zur US-Botschaft. MICHAEL BRAUN