Rigorose Politik fördert Furcht vor Islamisten

Bürgerrechtler stellen Grundrechtereport 2004 vor. Iman klagt: Klima in Deutschland begünstigt Denunziationen

KARLSRUHE taz ■ „Noch vor einigen Jahren wurden alle Eingriffe in die Bürgerrechte mit der organisierten Kriminalität gerechtfertigt“, erinnert sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an ihre Zeit als Justizministerin, „heute wird alles mit dem gefährlichen Islamismus begründet.“ Die Rechtfertigungen für eine Politik des starken Staates sind nach Ansicht der FDP-Politikerin also letztlich austauschbar.

Leutheusser-Schnarrenberger stellte gestern in Karlsruhe den „Grundrechtereport 2004“ vor – eine Art alternativer Verfassungsschutzbericht. Herausgegeben wird der Report von nunmehr sieben Bürgerrechtsorganisationen, unter anderem der Humanistischen Union und Pro Asyl.

„Ich kam mit meinem Sohn aus dem Urlaub zurück und wurde von Vermummten überfallen, auf den Boden geworfen und mit Kabelbindern gefesselt“, berichtete Abd al-Hafidh Wentzel, der Imam einer islamischen Sufi-Gemeinschaft in der Eifel, von einem Polizeieinsatz. Vorausgegangen war der Hinweis eines psychisch kranken Mitglieds der Gemeinschaft, in der Begegnungsstätte „Osmanische Herberge“ werde ein Bombenattentat geplant. „Früher hätte die Polizei, die von der Verwirrtheit des Mannes wusste, so etwas auf sich beruhen lassen, heute kommt es zu einem entwürdigenden Polizeieinsatz mit hohem Sachschaden“, klagte Turbanträger Wentzel, der vor 25 Jahren zum Islam konvertierte. Wentzel macht weniger der Polizei einen Vorwurf („die haben selbst vor Angst gezittert“) als der Politik. „Bestimmte Kräfte fördern aus machtpolitischen Gründen ein Klima, in dem solche Denunziationen ernst genommen werden.“ Die Entschädigung für den Vorfall im Juli 2003 hat er bis heute nicht bekommen.

Der Grundrechtereport ist eine Sammlung von Einzelfällen und Analysen. Leider ist seine Argumentation mitunter einseitig. So wird die „explodierende Zahl“ der Telefonüberwachungen beklagt, ohne zu erwähnen, worauf die Steigerung zurückzuführen ist: den Gebrauch wechselnder Handys durch ein und dieselbe überwachte Person.

CHRISTIAN RATH