Ganz Barcelona ein globaler Event

In der katalanischen Hauptstadt findet von Mai bis September das Forum 2004 statt. Die Themen: kulturelle Vielfalt, Nachhaltigkeit und Frieden. Das Forum will Brücke zwischen weltweitem „Establishment“ und Globalisierungskritikern sein

Die Multimedia- Ausstellung „Veus“ zelebriert Sprachenvielfalt

VON BETTINA BREMME

Barcelona erfindet sich in periodischen Abständen immer wieder neu – zumindest auf dem Reißbrett. Die Hauptstadt Kataloniens ist eine Metropole der Architektur, der bildenden Kunst, des Designs, der Kulturspektakel. Projekte, die – ganz nebenbei, versteht sich – riesige Investitions- und Stadtentwicklungsprogramme kreieren. 1888 zelebrierte man hier die erste Weltausstellung und schuf dabei eine Oase im Herzen der Stadt, den Parc de la Ciutadella. Die Olympischen Spiele von 1992 boten die Gelegenheit, die Hafengegend zu sanieren. Seitdem hat Barcelona wieder eine Strandpromenade. Nun steht das nächste Megaspektakel bevor: Vom 9. Mai bis 26. September findet das „Forum 2004 – Weltforum der Kulturen“ statt. Diesmal ist eine der Schmuddelecken Barcelonas an der Reihe: ein Küstenstreifen in Randlage, dessen bisherige Wahrzeichen ein verdrecktes Flüsschen sowie die Silhouetten von Müllverbrennungs- und Kläranlagen waren.

Von den Dimensionen her ist das Forum 2004 (Gesamtetat: 342 Millionen Euro) durchaus mit den Expos zu vergleichen: Auf 30 Hektar Grundfläche wurde ein gigantisches Veranstaltungsgelände aus dem Boden gestampft. Neben einem Kongresszentrum – dem größten Südeuropas – bildet ein ultramarinblaues dreieckiges Zentralgebäude von Jean Herzog das Herzstück des Ganzen. Ringsum erstrecken sich Plätze mit Ausstellungsflächen, Freilufttheater, ein Yachthafen sowie eine riesige Photovoltaikplatte, die an ein Großsegel in extremer Schräglage erinnert.

Nicht nur architektonisch, auch inhaltlich will das Forum 2004 neue Akzente setzen. Im Gegensatz zum nebulösen inhaltlichen Profil der Expos gruppieren sich die Veranstaltungen um drei Themen: kulturelle Vielfalt, ökologische Nachhaltigkeit und Frieden. Von Mai bis September finden 46 Kongresse zu dazu statt, die so genannten Dialoge. Sie stehen allen Interessierten offen. Die Liste der prominenten Referenten reicht von Staatsmännern im Ruhestand bis zur Globalisierungskritikerinnen wie Susan George von Attac. Auf dem Forum-Gelände zelebriert die Multimedia-Ausstellung „Veus“ (Stimmen) die weltweite Sprachenvielfalt – den identitätsbewussten Katalanen ein Herzensanliegen. Die Ausstellung „Die Welt bewohnen“ widmet sich ökologischen Fragen, „Städte, Ecken“ dem Leben in den Metropolen.

An 141 Tagen soll ganz Barcelona zum Forum werden. Kreuz und quer über die Stadt verteilt sind mehr als 500 Veranstaltungen geplant: Der brasilianische Musiker Carlinhos Brown soll den tropischen Karneval Salvador de Bahias auf Barcelonas gediegen-elegante Boulevards tragen. Kataloniens berühmteste Theatergruppe La Fura dels Baus werden an Bord eines restaurierten Frachtschiffes ihr neuestes Spektakel aufführen.

Beim Durchblättern des Konzert-, Tanz- und Theaterprogramms verschwimmt das inhaltliche Profil des Forums zusehends. Viel Prominenz tritt auf, sowohl aus den USA und Europa als auch aus der Weltmusikszene. Aus Deutschland schweben unter anderem Pina Bausch und Frank Castorf ein. Viele dieser Events könnten genauso gut unter einem anderen Label laufen.

Erklärter Anspruch des Forums 2004 ist, „Treffpunkt zwischen Davos und Porto Alegre“ zu sein, sprich eine Brücke zu schlagen zwischen dem weltweiten „Establishment“ und den Globalisierungskritikern. Zwar beteiligen sich nach offiziellen Angaben rund 800 Nichtregierungsorganisationen. Der Versuch der Forum-Manager, es allen recht zu machen, hat allerdings viele Linke vor Ort brüskiert oder schlicht und einfach in Gleichgültigkeit versinken lassen. Nicht wenige halten das Ganze für Schaumschlägerei, hinter der sich Interessen des lokalen Bau- und Tourismussektors verbergen. Andere meinen, es sei naiv, „Dialoge“ zu inszenieren, ohne gleichzeitig die globalen Machtstrukturen ins Zentrum der Debatte zu rücken. So meint die Abgeordnete der katalanischen Grünen Dolors Comas d’Argemir, die Einwohner Barcelonas, die unter anderem eine herausragende Rolle bei den Mobilisierungen gegen den Irakkrieg spielten, hätten eine andere, wesentlich politischere Art von Veranstaltung verdient.

Ein Grund für die inhaltliche Diffusität des Forum-Konzepts liegt sicher darin, dass sich bis vor kurzem im Veranstalterkonsortium politische Widersacher gegenübersaßen: die rot-grüne Stadtregierung, die das Forum initiierte, die rechtsliberale Partei CiU, die bis zum Herbst Katalonien regierte, sowie Vertreter der rechten Zentralregierung aus Madrid. Seit kurzem sind allerdings auf allen drei Ebenen Linksbündnisse an der Regierung.

Bei den Tagen der offenen Tür Anfang April drängelten sich mehr als 200.00 Menschen über die Forum-Baustelle. Kurz darauf wurde stolz verkündet, es seien bereits 500.000 Eintrittskarten verkauft worden. Für die „Dialoge“ hatten sich allerdings erst 7.500 Personen angemeldet. Die blutigen Anschläge von al-Qaida am 11. März in Madrid haben das Thema des „interkulturellen Dialogs“ mit Vehemenz aufs Tapet gebracht. Vielleicht springt ja der Funke der Politisierung, die Spanien zurzeit erlebt, auch auf das „Forum 2004“ über.

Der Eintritt für das Forum-Gelände beträgt für Erwachsene 21 € (1 Tag), 42 € (3 Tage) bzw. 168 € (Dauerkarte). Das komplette Forum-Programm findet sich (u. a. in Spanisch und Englisch) unter www.barcelona2004.org