Eichel will jetzt noch nicht sparen

Konjunktur noch nicht „stark und robust“ genug für strikten Konsolidierungskurs. Trotz Anstrengungen Verstoß gegen EU-Stabilitätspakt auch 2005 möglich

BRÜSSEL/BERLIN ap/afp ■ Bundesfinanzminister Hans Eichel hat neuen Sparanstrengungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine klare Absage erteilt. Der wirtschaftliche Aufschwung sei zwar erkennbar, sagte Eichel bei einem Treffen der EU-Finanzminister gestern in Brüssel. Dieser sei aber noch nicht „so stark und robust“, dass die Bundesregierung wieder einen strikten Konsolidierungskurs verfolgen könnte. Dies aber als Kurswechsel zu beschreiben, sei „absoluter Unsinn“, sagte Eichel.

Zugleich bekräftigte der Minister, dass Deutschland auch im nächsten Jahr gegen den Euro-Stabilitätspakt verstoßen könnte. Es sei möglich, dass der Staatshaushalt 2005 erneut eine Neuverschuldung von mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufweist. Konkrete Angaben dazu seien aber erst nach der morgigen Steuerschätzung möglich.

Nach Einschätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird Deutschlands Bruttoinlandsprodukt 2004 real um 1,1 Prozent wachsen. 2005 erwartet die Organisation in Deutschland gut zwei Prozent Wachstum. Das Defizit der öffentlichen Haushalte dürfte im laufenden Jahr 3,7 Prozent des BIP erreichen und auch 2005 mit 3,1 Prozent – wenn auch knapp – über der zulässigen Drei-Prozent-Quote des EU-Stabilitätspaktes liegen. In Frankreich werden 3,8 und 3,6 Prozent erwartet; auch Italien und Portugal werden laut OECD in beiden Jahren die Defizit-Zielmarke verfehlen.

Eichel bekräftigte, er habe am Rande des Brüsseler Treffens bereits mit dem zuständigen EU-Währungskommissar Joaquin Almunia über den deutschen Haushalt 2005 gesprochen und „Verständnis dafür gefunden“, dass die Bundesregierung Schwierigkeiten habe, die gesteckten Ziele zu erreichen. Sollte die Neuverschuldung des jetzt aufzustellenden Haushalts 2005 tatsächlich über der Drei-Prozent-Marke liegen, hätte die Bundesregierung dann aber anderthalb Jahre Zeit, um dies bis Ende 2005 zu korrigieren.

Im November vergangenen Jahres hatte sich Eichel in Brüssel verpflichtet, das Defizit im nächsten Jahr wieder unter die Drei-Prozent-Marke zu drücken. Eichel sagte, er werde alles daran setzen, dies einzuhalten.