Berlin-Paris, Paris-Berlin: Im Duo für Europa

Die deutsche Songwriterin Moina Erichson lebt in Frankreich und stellt nun auch in Deutschland ihr aktuelles Album, „Moina. Call My Name“, vor. Die in Berlin lebende Französin Corinne Douarre hat ihre zweite CD, „Virages“, aufgenommen. Gemeinsam besingen sie die deutsch-französische Freundschaft

von KATRIN SCHNEIDER

Als sich im Januar dieses Jahres aus Anlass des 40. Jahrestages des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrags die Abgeordneten aus beiden Ländern in Versailles einfanden, bekamen sie die CD „Duo für Europa“ in die Hand gedrückt, eine Gemeinschaftsproduktion von Deutscher Welle und Radio France Internationale. Natürlich wird darauf die deutsch-französische Freundschaft auch musikalisch dokumentiert, und dafür wurden zwei Sängerinnen ausgewählt, die die musikalische Freundschaft der beiden Länder hervorragend verkörpern: Denn Moina Erichson, die in Frankreich lebende deutsche Songwriterin, stellt nach erfolgreichem Start in ihrer Wahlheimat nun auch in Deutschland ihr aktuelles Album, „Moina. Call My Name“, vor, die in Berlin lebende Französin Corinne Douarre dagegen hat hier gerade ihre zweite CD, „Virages“, aufgenommen. Kennen gelernt haben sich die beiden Musikerinnen 1998 während des Französischen Herbsts im Grünen Salon der Berliner Volksbühne. Und nachdem sie im Februar ein gemeinsames Konzert in Paris gaben, traten sie am Samstag beide auf der Fête de la Musique in der Berliner Ufa-Fabrik auf.

Von ihrem Musikstil her sind sie ganz unterschiedlich – Corinne Douarre singt moderne Chansons, Moina dagegen zeitgenössische Popmusik – aber in ihrem Lebensweg gibt es durchaus Parallelitäten. Denn beide sind erst auf Umwegen zur Musik gekommen, von der sie davor schon immer geträumt hatten. Und beide erzählen sie Geschichten von Menschen in der Großstadt.

Corinne Douarre besingt zum Beispiel einen Mann im Schwimmbad, der Tattoos und Piercings und seinen Körper lässig zur Schau stellt, einen cool nageur, so cool, wie man in Mitte eben häufig ist, in diesem Bezirk, in dem Corinne Douarre seit sechs Jahren lebt. Es war die Atmosphäre in Berlin Mitte, die Lebendigkeit in diesem Bezirk nach dem Fall der Mauer, die dazu geführt hat, dass sich Corinne Douarre 1994 in die Stadt verliebt hat. Damals studierte sie in Stuttgart Architektur und war nur für einen kurzen Job nach Berlin gekommen, von hier aus zog sie dann zunächst zurück nach Paris. Dort hat sie 1996 mit dem Schreiben von Liedern begonnen, und irgendwann hatte sie endgültig Feuer gefangen. Sie zog mit einem Akkordeon durch die Pariser Kneipen, und schließlich stand der Entschluss fest, das Architekturstudium an den Nagel zu hängen und endlich das zu tun, wovon sie immer geträumt hatte: Chansons schreiben und singen. Und was lag da näher, als für diesen Neuanfang nach Berlin zu ziehen, in die Stadt, in die sie sich verliebt hatte und die sich – wie sie findet – für Neuanfänge hervorragend eignet. Mittlerweile hat sich Corinne Douarre in der deutschen Chansonszene fest etabliert und in verschiedenen Städten Deutschlands Konzerte gegeben.

Musikalisch hat sie sich längst weiterentwickelt: Mit einer Mischung aus modernen Sounds und Elementen des traditionellen Chansons erneuert sie das Bild einer modernen französischen Liedermacherin. Für ihre Texte, die in einer poetischen Sprache geschrieben sind, lässt sie sich von modernen lyrischen Entwicklungen inspirieren. Ihre musikalische und sprachliche Vielfältigkeit wird auf ihrer zweiten CD, „Virages“, deutlich, die im September erscheinen soll.

Moina ist in die umgekehrte Richtung gezogen, die gebürtige Hamburgerin lebt seit dem Abitur in Frankreich: Es war zunächst die Liebe, die sie nach Paris zog, wo sie sich an der École des Beaux Arts einschrieb, um Kunst zu studieren. Dabei war ihr die Verbindung zu Frankreich geradezu in die Wiege gelegt worden, denn ihre Eltern, die damals beide in Hamburg lebten, hatten sich während einer Bustour nach Paris ineinander verliebt. Während ihrer Studienzeit spielte Moina zwar leidenschaftlich gern Klavier und sang in Chören, aber für eine professionelle Musikkarriere entschied sie sich erst nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in Brasilien und dem Abschluss ihres Studiums als Diplommalerin. Zwischenzeitlich dachte sie daran, zurück nach Deutschland zu gehen, dann aber wurde sie in Paris unter Vertrag genommen, produzierte ihre erste CD, „Graines d’âme“, und blieb. Seit zehn Jahren wohnt sie nun mit dem Saxophonisten Eric Plandé, mit dem sie nicht nur ihr Leben teilt, sondern auch musikalisch zusammenarbeitet, in einem Apartment am Fuße des Montmartre und hat sich in Frankreich als Songwriterin einen Namen gemacht.

Im Februar brachte sie unter ihrem aus dem Irischen stammenden Namen Moina ihre zweite CD, „Call My Name“, heraus – dieses Mal eine internationale Produktion, von der französischen Musikpresse hoch gelobt. Die Kritik pries ihre Musik als „beglückenden Elektro-Folk“, der sich zwischen einem „Machine Groove à la Radiohead“ und einem Acoustic Songwriting bewegt.

Meist komponiert sie zuerst die Musik, dann kommt irgendwann der erste Satz, und damit entscheidet sich, um welches Thema es in dem Song geht. Moina selbst sagt von ihren Texten, dass darin „mit der Lupe auf ein Schicksal geschaut wird“. So zeichnet sie in ihrem Song „The Sender“ das Porträt einer Frau, die sie an verschiedenen Orten in Paris beim Missionieren von Passanten durch das Singen von religiösen Liedern beobachtet hat. Oder sie erzählt in „Ich hab geglaubt“, einem ihrer wenigen deutschen Titel, die Geschichte eines Paares, dessen Glück durch den unerwarteten Tod eines der Partner jäh beendet wird.

Für ihre neue CD hat Moina das berühmte Antikriegslied „Broken English“, mit dem Marianne Faithful in den 80er-Jahren ihr Comeback feierte, neu arrangiert, und sie konstatiert resigniert, dass sie den Song während des Tschetschenienkrieges in Paris aufgenommen hat, ihre CD während des Afghanistankriegs in den USA von dem bekannten Produzenten Marc Howard abgemischt wurde, und sie ihr erstes Konzert mit dem neuen Album während des Irakkriegs gegeben hat. „Broken English“ – ein Song also, der anscheinend nie an Aktualität verliert.