Gemeinsam gegen Mieterverdrängung

Die Bewohner eines Kreuzberger Hinterhauses wehren sich gegen Mieterhöhung durch das Bezirksamt. Der Bürgermeister sieht sich gezwungen, den Mietern mehr Geld abzuknöpfen, will ihnen aber bei den Instandsetzungskosten entgegenkommen

VON PETER NOWAK

Im Ton konziliant, in der Sache hart: So könnte man den offenen Brief beschreiben, den der grüne Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz, kürzlich erhalten hat. Verfasst wurde er von den BewohnerInnen eines Kreuzberger Hinterhauses in der Reichenbergerstraße 63a. Sie beschweren sich in dem Brief, dass sie zurzeit mit drohenden Steigerungen der Kaltmiete von bis zu 100 Prozent konfrontiert sind. Schulz kennt das Problem: Er selbst hatte am 28. November einen offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und den Senat geschrieben – und darin vor steigenden Mieten und drohender Vertreibung von Menschen mit wenig Geld gewarnt. Ganz besonders hatte der Bezirksbürgermeister auf die Situation in Friedrichshain-Kreuzberg hingewiesen.

Der Brief der Bewohner aus der Reichenbergerstraße eignet sich allerdings nicht als Illustration für Schulzens Klage. Denn der Vermieter des fraglichen Hinterhauses ist: das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg selbst. Dieses wolle den eigentlich bis 2020 laufenden Mietvertrag vorzeitig kündigen und das Hausprojekt an einen neuen Träger vergeben, berichten BewohnerInnen.

Eigentümer des Hauskomplexes ist die Immobilienfirma Heymann und Kreuels (H&K). Seit Ende der 70er-Jahre wurde das Haus mehrfach besetzt, um den Abriss zu verhindern. Während Vorderhaus und Seitenflügel schon damals saniert wurden, hielt man im Hinterhaus sogenannte Umsetzwohnungen für von Sanierung betroffene MieterInnen bereit. Nach einer erneuten Besetzung im Jahr 1990 wurde schließlich ein Mietvertrag mit dem Bezirksamt als Träger abgeschlossen. Dort wurden eine niedriger Mietzins und eine Laufzeit bis 2020 festgelegt. Eine vorzeitige Kündigung ist nur von Trottke e. V., nicht aber vom Bezirksamt möglich. Mit diesen Konzessionen wollte die erste rot-grüne Berliner Landesregierung den Konflikt schnell beenden und weitere Hausbesetzungen in Kreuzberg verhindern.

Heute ist man im Bezirksamt über diesen Vertrag überhaupt nicht mehr glücklich. Denn mittlerweile hat die H&K die Mietforderungen an das Bezirksamt drastisch erhöht. Mit der Neuverhandlung will die Behörde nun diese höheren Mieten an die BewohnerInnen weitergeben, erklärt Schulz der taz. „Für die weitere Subventionierung der Mieten durch das Bezirksamt besteht absolut kein Grund mehr“, betont er.

Nach Ansicht der MieterInnen hingegen treibt das von Schulz geleitete Bezirksamt damit genau die MieterInnenverdrängung voran, die er in dem Brief an den Senat selber beklagt. „Durch diese Entwicklung steigt der Mietspiegel in unserem Kiez rasant. Wenn das Bezirksamt uns gegenüber dann wiederum die Notwendigkeit einer Mietsteigerung mit dem hohen Mietspiegel rechtfertigt, beißt sich die Katze in den Schwanz“, monieren sie. Am Schluss des Briefes kündigen die Mieter ein eigenes Angebot an, das sich an den Vorgaben des offenen Briefes von Schulz orientiert.

Der aber gibt dem keine Chance, weil damit die Bezuschussung der Mieten durch den Bezirk bestehen bliebe. Den Vorwurf, mit der Neuverhandlung zur Vertreibung von MieterInnen beizutragen, weist Schulz zurück. „Wir haben immer betont, dass niemand ausziehen muss, und sind dem Verein Trottke e. V. weit entgegengekommen.“ So sähen die Vorschläge des Bezirksamts vor, dass den MieterInnen im Austausch für Mieterhöhungen die bisher vertraglich vereinbarten Instandhaltungskosten erlassen werden.

Falls es keine Einigung gibt, schließt Schulz nicht aus, dass der Fall vor Gericht geht. Das müsste dann feststellen, ob der Vertrag tatsächlich erst 2020 gekündigt werden kann.