„Wir passen zueinander wie zwei Puzzleteile“

Mit Partner Alexander Gazsi will Nelli Zhiganshina wieder deutsche Meisterin im Eistanz werden. Für das Olympiaticket 2010 fehlt der Russin der deutsche Pass. Denn Deutschlands beste Eistänzerin bekommt nur ein Touristenvisum

Nelli Zhiganshina sitzt auf einer Bank im Sportforum Hohenschönhausen. Das Sprechen überlässt die 21-jährige Blondine meist ihrem drei Jahre älteren Tanzpartner Alexander Gazsi. Die beiden wollen in dieser Woche zum zweiten Mal beste Deutsche im Eistanzen werden. Die Russin und ihr Berliner Partner gelten als Favoriten bei den Deutschen Meisterschaften, die am Mittwoch in Oberstdorf beginnen.

Wenn Alexander Gazsi von den Trainingsbedingungen im fernen Moskau redet, merkt man ihm den temperamentvollen Tänzer nicht an. Er spricht betont sachlich. Den größten Teil des Jahres trainiert das Eistänzerpaar in der russischen Hauptstadt. In Berlin, in der Eishalle des Sportforums Hohenschönhausen, herrschten zwar von den Räumlichkeiten her „die besten Trainingsbedingungen Europas“, meint er. Hier ist auch sein Verein, der ihn unterstützt. „Aber uns als Eistänzer fehlen hier gute Trainingspartner, an denen wir uns orientieren können.“ Die gebe es in Moskau.

Vor vier Jahren stand Gazsi, damals bereits als Junior bei internationalen Wettbewerben, ohne Partnerin auf dem Eis. Er fuhr nach Moskau und lernte Nelli Zhiganshina kennen. Die hatte zwar einen Tanzpartner, ließ sich aber zu einem heimlichen Training mit dem Deutschen überreden. „Bei den ersten gemeinsamen Schritten auf dem Eis fühlte ich, das ist mein Partner“, sagt sie. „Wir passten zueinander wie zwei Puzzleteile.“

Sprachen gebüffelt

Gazsi und Zhiganshina haben in den vergangenen Jahren nicht nur Walzer und Tango miteinander getanzt, sondern auch die Sprache des jeweils anderen erlernt. Nelli lernte Deutsch an einer Sprachschule, Alexander hat sein alltagstaugliches Russisch in der Eishalle gelernt. In Moskau teilt er eine kleine Wohnung mit einem französischen Eistänzer. Seine Tanzpartnerin wohnt bei ihren Eltern. Die beiden sind nur auf dem Eis ein Paar.

„Wir haben lange diskutiert, für welches Land wir an den Start gehen“, erzählt Alexander. Als sie miteinander zu laufen begannen, gab es in Deutschland ein international erfahrenes Meisterpaar in Oberstdorf und nur einen internationalen Startplatz. In Russland war die Konkurrenz weit größer. Das sprach für seine Heimat.

Es hätte auch andere, leichtere Möglichkeiten gegeben. „Wir hätten für Kasachstan oder Weißrussland starten können, wie das andere internationale Paare tun, obwohl keiner der Partner aus diesem Land stammt“, sagt Alexander Gazsi. „Das hätten wir aber komisch gefunden.“ Dabei wäre die Variante Kasachstan in seinem Fall nicht abwegig. Dort wurde Gazsis Mutter, eine deutschstämmige Aussiedlerin, geboren.

Der Start für Deutschland brachte den beiden zwar große Unterstützung von dem Berliner Verein, aber auch Probleme. Die Russin hat bis heute nur ein Touristenvisum für Deutschland. Maximal drei Monate im Jahr darf sie hier leben, ein paar Trainingseinheiten beim deutschen Bundestrainer nehmen, Schaulaufen und die Deutsche Meisterschaften bestreiten, dann muss sie zurück nach Moskau. Eine Aufenthaltserlaubnis wird ihr verweigert, weil sie zu geringe Einkünfte hat. Eiskunstlauf ist eine Randsportart. Von den Geldflüssen in populäreren Sportarten können Eiskunstläufer nur träumen.

Das könnte zum Problem werden. Im nächsten Winter will das Paar sich für die Olympischen Spiele qualifizieren. Dazu braucht die Russin den deutschen Pass. Das kann nur mit politischer Hilfe klappen. Denn das deutsche Einbürgerungsgesetz schreibt vor, dass, wer den deutschen Pass haben will, in Deutschland leben muss. Aber das darf Nelli Zhiganshina nicht.

Hohe Ansprüche

„Wir haben uns bewusst für den schweren Weg über Moskau entschieden“, sagt Alexander Gazsi. Er zählt auf: Für eine Olympia-Qualifikation müsste das Paar im kommenden Jahr bei den Europameisterschaften mindestens zwölfte werden. Bei ihrer EM-Teilnahme vor zwei Jahren erreichten sie lediglich den 16. Platz. „Wir haben hin und her überlegt, ob wir um die Aufenthaltserlaubnis in Deutschland kämpfen und hier einsam unsere Runden drehen, oder weiter in Moskau trainieren, wo wir bessere Trainingspartner haben und uns gegenseitig hochpuschen“, resümiert Gazsi. Das Ergebnis: „Mit Training nur in Deutschland schaffen wir die Olympiaqualifikation nicht.“ MARINA MAI