Abgrund von Landesverrat

Helmut Kohl schweigt sich zu seinem Beratervertrag mit Leo Kirch aus, beschimpft Teile der ARD als „Vaterlandsverräter“ und wollte doch nur einen Witz machen. Rückblick auf eine TV-Sternstunde

Rund 400.000 Euro in heutiger Währung ließ der Medienunternehmer Dr. Leo Kirch bekanntermaßen dem Politunternehmer Dr. Helmut Kohl an Beraterhonoraren überweisen – natürlich nach dessen Zeit als Bundeskanzler. Wozu eigentlich?, hakte das NDR-Politmagazin „Panorama“ anlässlich einer Benefizgala in Bonn noch einmal beim sichtlich erregten Exkanzler nach. Wir dokumentieren den erhellenden Gesprächwechsel aus der am Donnerstag ausgestrahlten Sendung in Auszügen:

Panorama: Herr Dr. Kohl, guten Tag. Stuchlik, „Panorama“, eine Frage. Wofür haben Sie die Gelder von Herrn Kirch bekommen?

Dr. Helmut Kohl: Ich habe überhaupt nicht die Absicht, mit Ihnen ein Interview zu machen.

Warum nicht?

Sie sind doch von „Panorama“?

Ja.

Wissen’s doch, was das heißt, Sie haben doch mit Journalismus nix zu tun.

Aber wofür haben Sie denn …?

Aber Mensch, hör’n Sie doch auf.

Für welche Tätigkeiten haben Sie denn die Gelder bekommen?

Damit ich Ihr Gesicht betrachte, und das reicht mir.

(Nach der Veranstaltung war Panorama-Mann Stephan Stuchlik folgerichtig immer noch da, und ein viel angriffslustigerer Kohl hatte sich was ausgedacht.)

Ich darf Sie noch mal fragen: Wofür haben Sie denn die Gelder von Leo Kirch bekommen?

Das kann ich Ihnen sagen, die Gelder sammle ich, um das nötige Geld zu haben, um jetzt eine große Untersuchung anzustellen über die Vaterlandsverräter und Leugner der deutschen Einheit. Etwa bei bestimmten Machenschaften der ARD.

Das heißt, Sie würden uns Vaterlandsverrat vorwerfen?

Von Teilen der ARD und natürlich die Machenschaften von vielen Jahren, die in Ihrer speziellen Sendung gekommen sind. Das wollte ich Ihnen gerne sagen, und das können Sie live senden. Natürlich werfe ich Teilen von Ihnen Vaterlandsverrat vor. Was anderes war’s ja auch nicht.“

Die ARD genießt und schweigt: Zu so schönen Vorwürfen wie Vaterlandsverrat möchte man auch beim NDR nichts sagen. Ebenso CDU-Chefin Merkel: Sie flüchtete im „Panorama“-Beitrag vor einer näheren Befragung über Beratertätigkeiten wie aktuelle Äußerungen ihres Parteifreunds schnell in eine abfahrbereite Limousine.

Und so bleibt die Frage nach dem „Wozu“ weiter offen: Bis auf den vom Spiegel ausgegrabenen Fall Telekom, wo Kohl noch als Kanzler zugunsten des Pay-TV-Decoders seines Freundes Kirch intervenierte, ist eine direkte Vorteilsannahme bislang nicht nachzuweisen. Wahrscheinlich waren die Beraterverträge mit dem Exkanzler und anderen ehemaligen Ministern auch eher für den Fall gedacht, dass eine engagierte Medienpolitik dem Hause Kirch Ungemach bereitet hätte. Von solch engagierter Medienpolitik konnte und kann – parteiübergreifend – in Deutschland aber keine Rede sein.

STEFFEN GRIMBERG