Frauenbewegung in Marokko

Rabéa Naciri ist eine der führenden Frauenrechtlerinnen in Marokko. Seit Jahren setzt sie sich für die Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft, für die Respektierung der Menschenrechte und die Bildung von Mädchen in ländlichen Gebieten ein. Sie ist Mitbegründerin der 1985 ins Leben gerufenen Demokratischen Vereinigung der Frauen Marokkos (ADFM) und war von 1992 bis 2002 Direktorin des Frauennetzwerks „Collectif 95 Maghreb Egalité“, das in Vorbereitung der Pekinger Weltfrauenkonferenz ein Maghreb-übergreifendes Personenstandsrecht erarbeitet hat.

Bis vor kurzem war Rabéa Naciri Professorin für Geografie an der Universität Mohammed V. in Rabat, mittlerweile leitet sie ein Consultingbüro, das auf Entwicklungsfragen spezialisiert ist. Vor 10 Tagen nahm sie an der Konferenz „Frauenbewegung und Zivilgesellschaft in der arabischen Welt“ im Haus der Kulturen der Welt in Berlin teil.

Eines der zentralen Anliegen der marokkanischen Frauenbewegung betrifft die Änderung des Personenstandsrechts (Moudawana). Dieses Gesetz, das erst nach der Unabhängigkeit auf der Grundlage der Scharia, der islamischen Rechtsquellen, erarbeitet wurde, regelt seit seinem In-Kraft-Treten im Jahr 1957 das Verhältnis der Geschlechter im privaten Bereich. Die gesetzlichen Bestimmungen über Eheschließung, Scheidungsmodalitäten, Polygamie, Erbrechte und Unterhaltspflichten diskriminieren Frauen in zum Teil erheblichem Ausmaß.

Nach einer groß angelegten Kampagne verschiedener Frauen- NGOs trat im September 1993 ein reformiertes Personenstandsrecht in Kraft. Die Änderungen blieben jedoch weit hinter den Forderungen der Frauenbewegung zurück. 1998 wurde von Regierungsseite zusammen mit marokkanischen NGOs ein nationaler Aktionsplan für die Integration von Frauen in die Entwicklung erarbeitet. Neben einer Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Frauen in sozialer, rechtlicher, ökonomischer und politischer Hinsicht beinhaltet er auch einige wenige Vorschläge zur Änderung der Moudawana, woran sich eine heftige Diskussion in der marokkanischen Öffentlichkeit entzündete.

Die Spaltung der marokkanischen Gesellschaft in dieser Frage wurde am 12. 3. 2000 sichtbar, als marokkanische Frauen- und Menschenrechtsaktivisten auf einer Großdemonstration in Rabat mit etwa 200.000 Teilnehmern ihrer Forderung nach Gleichberechtigung der Geschlechter Nachdruck verliehen, während am selben Tag in Casablanca eine Gegendemonstration mit wesentlich höherer Beteiligung stattfand, zu der islamistisch-konservative Gruppen aufgerufen hatten. Als Reaktion darauf setzte König Mohamed VI. im April 2001 eine Kommission ein, die Vorschläge für eine erneute Reform des Personenstandsrechts erarbeiten soll.

KATRIN SCHNEIDER