„An.Schläge“ statt Anklage

Der Verzicht auf Betroffenheitsjournalismus zeichnet das feministische Wiener Monatsmagazin aus – seit 25 Jahren

Als Elfriede Jelinek ihre Gedanken zum Geburtstag formulierte, dachte sie an die Bibel. Gegen das gesellschaftliche Idyll jener, die an der traditionellen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau festhalten, gäbe es nur einen Ausweg: dieses Idyll immer wieder zu stören – wie die Schlange im Paradies. Diese Rolle wünscht die Nobelpreisträgerin dem feministischen Wiener Monatsmagazin An.Schläge, das am Wochenende mit einem Symposium über feministische Medienarbeit sein 25-jähriges Jubiläum feiert.

Gegründet wurden An.Schläge 1983 als Do-it-yourself-Projekt gegen den damals alltäglichen Sexismus und Antifeminismus. Einige Generationswechsel und mehr als 200 Ausgaben später kümmern sich die Macherinnen noch immer um Themen, die in den Mainstream-Medien nicht auftauchen: das schwierige Verhältnis der US-Frauenbewegung zum Antirassismus, Männer, die sich im Netz als Frauen ausgeben, und die Frage, wie viel Feminismus in der türkischen Soap „Noor“ steckt. Dazu kommen Themenschwerpunkte, etwa über den Botox-Boom oder Geschlechterbilder im Fußball.

Im einzigen deutschsprachigen Monatsmagazin für feministische Themen steckt wenig Betroffenheitsjournalismus. „Feminismus bedeutet für uns nicht nur die Ungleichheit der Geschlechter, sondern wir reflektieren auch darüber, dass weiße, westeuropäische Frauen alles andere als Opfer sind“, sagt Lea Susemichel. Seit zwei Jahren koordiniert die 32-Jährige gemeinsam mit einer Kollegin das Team von gut 20 freien Mitarbeiterinnen, organisiert die wöchentliche Konferenz, sucht Fotos, kümmert sich ums Layout, druckt die Etiketten für die Abohefte und bemüht sich, die Finanzierung auf die Beine zu stellen.

Das Jahresbudget beträgt nur knapp 45.000 Euro. Ein Drittel finanzieren das Frauenbüro der Stadt Wien und das Frauenministerium, der Rest wird durch Inserate und den Verkauf der monatlich 5.000 Hefte finanziert. Seit seiner Gründung kämpft das Heft um seine Existenz, musste auch schon mal eingestellt werden. Dem ist wohl auch die schwarz-weiße Optik und das aufgeräumte Layout geschuldet. Dadurch unterscheidet sich An.schläge aber wohltuend von aufgebrezelten Magazinen wie Emma. Susemichel sieht ihr Magazin mit Berichten über feministische Konferenzen in Ex-Jugoslawien und lesbische Filmfestivals denn auch „näher an der Szene“ – und lässt Kritik an Alice Schwarzer durchklingen: „Wir machen Konfliktlinien innerhalb der feministischen Bewegung explizit zum Thema und tun nicht einfach so, als gäbe es nur eine feministische Antwort.“

Neben dem Printmagazin gehen Susemichel und ihr Team seit 2005 sechsmal im Jahr im Wiener Bürgerfernsehen auf Sendung. „Bei jungen Menschen ist unser TV-Magazin inzwischen bekannter als das gedruckte Magazin“, sagt Susemichel. Der Plan, übers Fernsehen Interesse an feministischen Themen zu wecken, sei aufgegangen. Damit stößt An.Schläge in Österreich in eine Lücke, die in Deutschland „Alphamädchen“ und Charlotte Roche füllen. „Das ist zwar nicht unser Feminismus“, sagt Susemichel, „aber es ist schön, dass Frauen sich plötzlich wieder Feministinnen nennen. Das war vor fünf Jahren noch ganz anders.“ MARTIN LANGEDER