Katholiken sollen nicht zum Kadi gehen

Der Regensburger Bischof Müller hat seinen Schäfchen per Erlass verboten, bei Streitfällen weltliche Gerichte anzurufen

MÜNCHEN taz ■ Schon der Evangelist Matthäus war kein Freund der staatlichen Justiz. Das findet zumindest der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, der im Amtsblatt seiner Diözese aus dem 5. Kapitel des Matthäus-Evangeliums den Vers 25 zitiert: „Schließ ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner, solange du mit ihm noch auf dem Weg zum Gericht bist.“

Daraus leitete der Bischof im November folgende Verfügung ab: „ Kraft meiner bischöflichen Vollmacht untersage ich mit sofortiger Wirkung den katholischen Christen der Diözese Regensburg, insbesondere Geistlichen und pastoralen Mitarbeitern, bei Streitigkeiten, die im Rahmen ihrer kirchlichen Ämter und Aufgaben entstehen, weltliche Gerichte anzugehen.“ Wer sich daran nicht hält, muss „mit einer gerechten Strafe“, etwa Disziplinarverfahren, rechnen. Auslöser für den eigenartigen Erlass soll ein unschöner Rechtsstreit zwischen einem Pfarrer und dessen Kaplan gewesen sein.

Auf die verwunderten Nachfragen der regionalen Presse versicherte das Bistum kurz darauf, dass der Text des Erlasses geändert werde, falls die Formulierungen missverständlich seien. Selbstverständlich wolle man nicht gegen die Rechtsweggarantie des Grundgesetzes verstoßen. Doch die Worte des Bischofs blieben bis heute bestehen, was die Regensburger Initiative „Wir sind Kirche“ befürchten lässt, dass „kirchlichen Mitarbeitern der Rechtsschutz durch weltliche Arbeitsgerichte“ genommen werden soll. In einer Presseerklärung stellen die Basis-Christen außerdem in Frage, „ob der Bischof noch auf dem Boden der rechtsstaatlichen Ordnung steht“. Der Ex-Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde hält die Verfügung des Bischofs für unwirksam: „Die Kirche darf ihre internen Verhältnisse regeln, aber nicht einfach bürgerliche Rechte einschränken.“

Alles halb so schlimm, meint dagegen der Pressesprecher der Regensburger Diözese: „Es geht darum, dass man bei Streitigkeiten nicht sofort zu den weltlichen Gerichten rennt, sondern versucht, das intern zu regeln.“ Der Text des Erlasses soll nun allerdings nicht mehr geändert werden. Damit bleibt das Problem bestehen: Denn trotz einer nachgeschobenen Erläuterung des Regensburger Bistums, wonach es „Fälle geben kann“, die vor Gericht landen, ist unklar, wann etwa ein Priester oder ein pastoraler Angestellter die Justiz anrufen darf, ohne die „gerechte Strafe“ des Bischofs zu befürchten. Insofern befürchten die Kritiker von „Wir sind Kirche“, dass der umstrittene Passus aus dem Amtsblatt der Diözese sich als Druckmittel gegen unliebsame Untergebene einsetzen lässt. Und die Mainzer Kirchenrechtlerin Ilona Riedel-Spangenberger staunt: „Das sind ja Vorstellungen aus dem 19. Jahrhundert.“

Oder aus noch ferneren Zeiten: Der Evangelist Matthäus nannte in der Bibel auch gleich die Strafe für denjenigen, der trotz Verbot zum Richter geht – der laufe höchste Gefahr, „in den Kerker geworfen“ zu werden.

JÖRG SCHALLENBERG