DIE RECHTSEXTREME GEWALT WIRD BEHARRLICH UNTERSCHÄTZT
: Ohne Zivilcourage geht es nicht

Der Tod eines 27-jährigen Russlanddeutschen, der Ende Januar in Gera von vier Rechten regelrecht hingerichtet wurde, fand überregional kaum Aufmerksamkeit. Für die Polizei gab es keinen rechten Hintergrund. Der Tod des Aussiedlers in Gera ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. 551 rechtsextrem und rassistisch motivierte Gewalttaten haben die Beratungsprojekte für Opfer rechter Gewalt in den fünf neuen Bundesländern und Berlin im vergangenen Jahr registriert.

Übersetzt bedeutet dies, dass hier täglich mehr als eine rechte Gewalttat verübt wird. Dabei ist diese Zahl lediglich ein Indikator für das Ausmaß rechter Gewalt. Denn viele Opfer erstatten aus Angst vor weiteren Repressalien keine Anzeige. Und selbst wenn die Täter gefasst werden, bedeutet das nicht, dass der Fall von den Sicherheitsbehörden als „politisch rechts motiviert“ ausgewiesen wird. Denn noch immer werden in manchen Bundesländern die bundeseinheitlich gültigen neuen Kriterien zur Erfassung politisch motivierter Gewalt entweder nicht verstanden oder unterlaufen.

Ein Evaluationsbericht über die Erfahrungen mit den neuen Kriterien wird bislang sorgsam unter Verschluss gehalten. Und so führen eben die Beratungsstellen Buch, die durch das Bundesprogramm Civitas gefördert werden. Zum Beispiel darüber, dass im Visier rechter Täter immer öfter auch die wirtschaftliche Existenz von MigrantInnen steht. Allein in Brandenburg hat der Verein Opferperspektive in den vergangenen drei Monaten acht Brandanschläge auf ausländische Imbisse registriert.

Ein Ende ist nicht absehbar. 17 Fälle rechtsextremer Gewalt zählte die Mobile Opferberatung in den ersten fünf Wochen diesen Jahres allein in Sachsen-Anhalt, mehrheitlich traf es hier alternative und nichtrechte Jugendliche. Der Bedarf an Zivilcourage und Solidarisierung mit den Betroffenen nimmt nicht ab, nur weil rechte Gewalt als lebensbedrohliches Alltagsphänomen keine Schlagzeilen mehr macht. HEIKE KLEFFNER

Die Autorin leitet die Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt in Sachsen-Anhalt