Klagen gegen Disneylandisierung

Schlosspark oder Welfen-Mall in Braunschweig? Bürgerinitiativen kündigen rechtliche Schritte gegen den Bau einer 200-Millionen-Mall mit Schloss-Fassaden an: Sie wollen, dass ihr Bürgerbegehren anerkannt wird.

Aus BraunschweigKai Schöneberg

Während die Dresdner Frauenkirche schon früher als geplant im kommenden Jahr geweiht wird, drohen einem anderen historisierenden Recycling-Projekt Querelen und Klagen: Die Bürgerinitiativen gegen den Bau eines Einkaufszentrums mit den Fassaden des ehemaligen Welfenschlosses in Braunschweig stellten gestern ein Rechtsgutachten gegen den Bau des 200-Millionen-Euro-Projekts vor – und kündigten den „raschen“ Gang vor das Verwaltungsgericht an. Die Stadt solle das Bürgerbegehren anerkennen, in dem sich 24.000 Stimmen gegen die Shopping-Mall mit Attrappenfassade ausgesprochen hatten, sagte Berhold Burkhardt von der Bürgerinitiative Schlosspark: „Wir fordern, dass der Bürgerwille Beachtung findet.“

Seit der Stadtrat im Sommer mit einer Stimme Mehrheit beschlossen hatte, drei Fassaden des 1840 gebauten und im Krieg zerstörten Herzogsschlosses an alter Stelle wieder aufzubauen, hat Braunschweigs Beschaulichkeit gelitten. Logisch: In und hinter die Fassaden will der Hamburger Mall-Betreiber ECE potemkinsches Shoppen auf einer Fläche von drei Fußballfeldern ermöglichen, am liebsten garniert mit Quadriga samt Braunschweiger Landesgöttin „Brunonia“ – und das mitten in der grünen Lunge der Stadt. Angepeilter Baubeginn: der Herbst. Der Termin wackelt: Architekten prangern „Sittenlosigkeit“ und „Disneylandisierung“ Braunschweigs an, die FAZ orakelte, auch mit Sandsteinfassade vor dem Shopping-Schloss lasse sich nicht verhindern, dass der Traum Braunschweigs, 2010 europäische Kulturhauptstadt zu werden, wohl „ausgeträumt“ sei.

Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) werde „seine Lektion vom Verwaltungsgericht bekommen“, sagte gestern Rechtsanwalt Siegfried de Witt. Hier will er die Entscheidung anfechten, das Bürgerbegehren für nichtig zu erklären. Dass der Verwaltungsausschuss bemängelt hatte, ein Begehren könne sich nicht gegen einen Bebauungsplan richten, nennt de Witt einen „Affront gegen die Bürger“. Tatsächlich hätten sich die Unterschriften nur für den Erhalt des Schlossparks ausgesprochen. Wäre das Begehren erfolgreich, müsste die Stadt einen Bürgerentscheid zum Schloss-Shoppen abhalten. Dann könnten die Braunschweiger mit einfacher Mehrheit und einer Mindestbeteiligung von knapp 50.000 Wählern die Pläne stoppen.

Weiter bestätigte de Witt die Befürchtungen der Braunschweiger Kaufleute, die „neue Mitte der Stadt“ werde ihnen den Garaus machen: Gerade die Filialisten würden gen Center abwandern. Auch die ECE-Mall auf dem Berliner Potsdamer Platz sei „voll mit dem Ramsch, der überall in diesen Malls verkauft wird“, sagte de Witt. Als „eine unzulässige Vereinbarung“ sieht indes Rechtsanwalt Norbert Große Hündfeld die Abmachung zwischen Stadt und Land Niedersachsen, Braunschweig das Gelände gratis zu übertragen, damit die Stadt wiederum das auf 33,5 Millionen Euro geschätzte Grundstück an ECE verschenken kann. Als Gegenleistung will die Stadt Landesgrundstücke in Bauland umwandeln. Wegen eines solchen „Deals“ hätten Gerichte in Münster schon ein ECE-Projekt gestoppt, sagte Große Hündfeld.