Schrott-Immobilien ein Fall für Brüssel

EU-Kommission wirft dem Bundesgerichtshof eine verbraucherfeindliche Haltung vor, weil er die Opfer des Immobilienskandals nicht unterstützt. Geprellte gehen auf die Straße. Europäisches Gericht soll entscheiden

HAMBURG taz ■ Die Opfer des Immobilienskandals der Neunzigerjahre sind wieder obenauf – und sie machen mobil. Begonnen haben sie am Samstag auf dem Schillerplatz in Oggersheim. Dort demonstrierten Hunderte Eigentümer von unverkäuflichen Eigentumswohnungen, am nächsten Wochenende in Göttingen sollen es mehr werden. Der Initiator der Proteste, die Internetinitiative gegen Immobilienbetrug (www.immobetrug.de), lädt gemeinsam mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen für den 24. Februar zu einer Großveranstaltung mit Fachpodium.

Aber warum jetzt erst einmal Oggersheim? Weil dort Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wohnt. Was ist mit Helmut Kohl? Er sitzt im Aufsichtsrat der AMB-Generali. Was ist mit AMB-Generali? Zu diesem Konzern gehört die Badenia, die viele Schrott-Immobilien finanziert haben soll. Außerdem hält die AMB-Generali ein größeres Aktienpaket der Commerzbank. Dieser werfen die Organisatoren der Demo vor, „in betrügerische Immobiliengeschäfte“ und in deren „skandalöse Finanzierung“ verwickelt zu sein. Die Zahl der in den Neunzigerjahren übertölpelten Käufer von nahezu wertlosen Immobilien wird auf mindestens 300.000 geschätzt.

Politik und Bundesgerichtshof (BGH) ließen die Opfer bislang im Regen stehen. Da rausholen will sie die Europäische Kommission. Sie wirft dem Bundesgerichtshof eine verbraucherfeindliche Haltung vor. Das wirtschaftliche Überleben „einiger hunderttausend deutscher Verbraucher“ sei von Zwangsvollstreckungen durch die Banken bedroht, ohne das der BGH eingreife, kritisiert die EU-Kommission. Die Rüge aus Brüssel erschreckt auch Banken und Versicherungen, für die es um ein paar Milliarden geht. Besonders betroffen von einem verbraucherfreundlichen Rechtsspruch wäre die Hypo-Vereinsbank, die etwa jeden dritten Immo-Schmu finanziert hat.

In den Neunzigerjahren hatten windige Finanzmakler massenhaft Schrottimmobilien an leichtgläubige Bundesbürger verkauft. Hypo-Vereinsbank, Commerzbank, Badenia und viele andere Kreditinstitute und Versicherungen finanzierten bereitwillig überteuerte und nahezu unverkäufliche Eigentumswohnungen. Die gutgläubigen und begehrlichen Käufer hofften auf ein dickes Ruhepolster für ihre späteren Rentenjahre. Aber statt Zusatzrente droht die private Pleite durch diese „ruinösen Immobiliengeschäfte“, wie sie die EU-Kommission nun nennt. Betroffen seien „mehrere hunderttausende deutsche Verbraucher“, die dadurch in bescheidenen Verhältnissen leben müssen, heißt es in einem 19-seitigen Schreiben an den Europäischen Gerichtshof.

Hoffnungen hatte den geneppten Opfern schon im Dezember 2001 das „Heininger-Urteil“ des Euro-Gerichts in Luxemburg gemacht. Danach sah es so aus, als ob die Betrogenen mit einem blauen Auge davonkommen könnten. Die Juristen billigten ihnen ein Widerrufsrecht bei sogenannten Haustürgeschäften zwischen Tür und Angel sowie eine Wiedergutmachung zu. Danach sollten die Geprellten Immobilie und Kredit weitgehend schadlos an Verkäufer und Banken zurückgeben können. Aber der BGH unter dem umstrittenen Richter Gerd Nobbe setzte sich souverän über den Geist des Luxemburger Urteils hinweg. Sehr zum Verdruss der Brüsseler Kommissare. Sie werfen dem BGH vor, er habe es an einer „objektiven Analyse und Bewertung“ fehlen lassen und ignoriere das europäische Verbraucherrecht. Sogar die neue deutsche Gesetzgebung sei an Nobbe und seinen Kollegen komplett „vorbeigegangen“. Scharfe Vorwürfe aus Brüssel.

Einer der Anwälte von Schrottimmobilien-Geschädigten, der Bremer Eberhard Ahr, bringt es auf den juristischen Punkt: „Die Kommission sieht den BGH nahe an der Rechtsbeugung.“ Vom Europäischen Gerichtshof wird noch in diesem Jahr ein zweites, klärendes Immobilien-Urteil gegen den BGH erwartet, Banken und Versicherungen könnte dies Milliarden kosten. HERMANNUS PFEIFFER