„Ich wollte, dass es nicht eskaliert“

Im brandenburgischen Fürstenwalde ließ ein SPD-Politiker den NPD-Vorsitzenden Voigt auf einer Friedensdemo reden. Er hatte Angst vor Auseinandersetzungen mit NPD-Anhängern. Der Sozialdemokrat ist Mitglied der örtlichen „Plattform gegen Rechts“

von BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA

Naivität, Überforderung oder Kapitulation vor der rechten Szene? Am vergangenen Freitag erteilte der Vorsteher des Stadtparlaments von Fürstenwalde in Brandenburg, der SPD-Abgeordnete Günter Lahayn, dem Bundesvorsitzenden der NPD, Udo Voigt, auf einer Demonstration gegen den Irakkrieg das Wort. Zuvor hatte er Pazifisten, die noch ein Friedenslied singen wollten, das Mikrofon entzogen. Besonders pikant an dem Vorfall: Der SPD-Kommunalpolitiker gehört dem regionalen Bündnis „Plattform gegen Rechts“ an, das die wöchentliche Friedensdemonstration organisiert.

Der SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness sprach gestern von einem „peinlichen Vorfall“, einer „Fehleinschätzung“ des Kommunalpolitikers und einem „heilsamen Schock“. Bei der morgigen Demonstration werde es neben Transparenten gegen den Krieg auch Transparente gegen die Vereinnahmung durch Rechte geben. Zudem wollte sich Lahayn gestern Abend bei der Plattform gegen Rechts „öffentlich entschuldigen“. Ness sprach aber auch von einer „bewussten Provokation“. Es sei kein Zufall, dass zu der dritten Kundgebung im Ort NPD-Anhänger und Fernsehteams von dem SFB-Programm „Kontraste“ erschienen seien.

Der 70-jährige Lahayn nannte sein Verhalten gestern eine „unglückliche Entscheidung“ und lieferte eine seltsame Erklärung: „Ich wollte, dass es nicht eskaliert.“ Unter den Demonstranten seien dreißig NPD-Anhänger gewesen und er habe „große Sorge“ gehabt, dass es zu Auseinandersetzungen komme, wenn er sie „ausgrenze“.

In Fürstenwalde gibt es eine starke rechte Szene. Nach den Kommunalwahlen 1998 zog die NPD mit zwei Vertretern in die Stadtverordnetenversammlung ein. In der gestrigen Landtagssitzung wurde der Vorfall nicht thematisiert. Anträge für die aktuelle Fragestunde müssen zwei Tage im Voraus gestellt werden.

Am gleichen Tag, an dem der NPD-Bundesvorsitzende seinen Auftritt hatte, hatte das Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit Hinweise zum Umgang mit Rechtsextremen auf Friedensveranstaltungen herausgegeben. Darin heißt es, dass dies „eine neue Herausforderung politischer Auseinandersetzung“ sei.

Wolfram Hülsemann vom Mobilen Beratungsteam sagte gestern, dass es bei vielen Menschen „einen Mangel an zureichender Interpretation“ des gescheiterten Verbotsantrags der NPD gebe. „Viele gehen davon aus, was legal ist, sei demokratisch legitim.“ Hülsemann ist sicher, dass es bei der morgigen Demonstration zu einer „gewaltfreien Konfrontation zwischen demokratischen und nicht demokratischen Kräften“ kommen werde.

Heute Abend zum Thema NPD auf Antikriegsveranstaltungen: ARD, 20.15 Uhr, „Kontraste“