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: Vorboten der nächsten Kriege: Washington führt ein Sündenregister für Syrien und den Iran

Drohende Worte fand US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, dann auch Außenminister Colin Powell: Syrien und der Iran sollten aufhören, den Terrorismus zu unterstützen. Zudem dürfe Syrien keine Waffen mehr an die irakische Regierung schicken und der Iran keine Milizionäre gegen sie ausbilden. Außerdem müsse Teheran die Versuche stoppen, sich atomare Waffen zu verschaffen. Anderenfalls hätten beide Länder die Konsequenzen zu tragen. Sie stünden vor einer „kritischen Entscheidung“.

 Eine Menge Vorwürfe. Die Warnungen scheinen zur Unzeit zu kommen. Welches Interesse kann die US-Regierung daran haben, gerade jetzt, da der Irakkrieg ins Stocken geraten und die öffentliche Meinung in der arabischen Welt so US-feindlich ist, auch noch die latenten Konflikte mit Syrien und dem Iran anzuheizen? Vielleicht wollte Rumsfeld von der Diskussion über die US-Kriegsstrategie ablenken. Powell wäre ihm dann zur Seite gesprungen, um Spekulationen über Zerwürfnisse in der US-Regierung gar nicht erst aufkommen zu lassen.

 Wahrscheinlicher aber hat die US-Regierung bereits die nächsten Fronten im Auge. Syrien und der Iran sind neben dem Irak die beiden Länder, denen die Vordenker des „Projektes für ein neues amerikanisches Jahrhundert“ seit Mitte der 90er-Jahre den Kampf angesagt haben. Im September 2001 schrieben sie an Präsident George W. Bush, die US-Regierung solle Syrien und den Iran auffordern, die Unterstützung für den Terrorismus insbesondere der Hisbollah im Libanon einzustellen. Wenn nicht, solle die Regierung „angemessene Vergeltungsmaßnahmen“ ergreifen. Andere Punkte in diesem Brief sind mittlerweile begonnen bzw. erledigt: der Krieg in Afghanistan, der Krieg gegen den Irak, eine drastische Erhöhung des Militärbudgets und das Aushungern der palästinensischen Autonomiebehörde.

 So wirken die neuen Warnungen wie Vorbereitungen der USA, ihre nächsten Kriege zu legitimieren. Die Botschaft an Syrien und den Irak lautet: „Vorsicht, wir sehen, was ihr macht!“ – versehen mit dem Zusatz: „Und wir vergessen nichts.“ Beide Länder beteuern zwar, die Vorwürfe seien falsch. Aber das dürfte nichts daran ändern, dass die Sündenlisten, die in Washington geführt werden, jetzt um einige Positionen länger geworden sind.

BERND PICKERT