Unfreundliches Feuer zwischen den Alliierten

Die US-Kriegsführung im Irak stößt beim britischen Militär auf wachsenden und zunehmend öffentlichen Unmut

LONDON taz ■ Was der Frieden nicht erreichte, schafft der Krieg: Das Vertrauen zwischen den USA und Großbritannien schwindet. Auf den Schlachtfeldern des Irak ist das Bündnis zwischen George Bush und Tony Blair weit weg – was zählt, ist das Verhalten der Truppen. Und je länger der kuriose Zustand andauert, dass mehr britische Soldaten im Irak von ihren US-Alliierten getötet werden als vom irakischen Feind, desto lauter artikuliert sich der Unmut.

Routinemäßig eröffnen britische Radionachrichten mit der neuesten Hiobsbotschaft von gefallenen Soldaten – manche im Kampf, aber manche auch durch die Hand des Verbündeten in dem, was man schon nicht mehr friendly fire nennt und was in der Amtssprache als unrelated incidents umschrieben wird.

Die etwa 45.000 britischen Soldaten im Irak sind fast ausschließlich im Südosten des Landes im Einsatz, um die Millionenstadt Basra, den Tiefseehafen Umm Kasr und die Halbinsel Fao. Umm Kasr ist nach mühevollem Kleinkrieg erobert worden, Basra wird noch belagert. Auch hier fehlt es nicht an britischer Kritik am Vorgehen der US-Truppen: Die würden viel zu massiv gegen winzige Widerstandsnester vorgehen, zum Beispiel Luftangriffe gegen isolierte Scharfschützen in einem Haus anfordern, und dabei unweigerlich Zivilisten verprellen oder umbringen. Im frisch befreiten Umm Kasr, so ärgerten sich jetzt britische Armeeführer, würden die US-Amerikaner aufgedonnert in ABC-Kampfanzügen herumlaufen, während britische Soldaten in betont lässiger Aufmachung versuchen, mit der Bevölkerung auf der Straße zu reden und Hilfsgüter zu verteilen. Die britische Armee, heißt es dazu, habe eben in jahrzehntelangem Einsatz in Nordirland gelernt, wie man Einsätze in Wohngebieten führt, während die U.S. Army dies in Vietnam und Somalia nicht begriffen hätte und ausschließlich auf Gewalt setzte – mit brutalen Methoden, die die Briten seit den Guerillakriegen gegen antikoloniale Befreiungsbewegungen in den 50er-Jahren nicht mehr anwenden.

Hinter all dem steckt auch eine unterschiedliche Einschätzung der irakischen Bevölkerung: Die US-Seite schien zumindest zu Kriegsbeginn davon auszugehen, dass die Iraker automatisch die alliierten Truppen als Befreier begrüßen würden, während die Briten meinen, dass man erst selbst aktive Überzeugungsarbeit leisten muss. Angesichts des ausbleibenden Zusammenbruchs von Saddam Husseins Regime stehen die US-Strategen jetzt etwas ratlos da, während ihre britischen Kollegen sich bestätigt fühlen.

Während solche Analysen zu Beginn des Krieges noch ausschließlich von Journalisten vorgebracht wurden, lassen sich inzwischen hochrangige britische Militärs damit namentlich zitieren – ein Indiz, dass der Unmut über die USA offiziell sanktioniert ist. Die Kritik bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Kriegstaktik, nicht auf den Krieg an sich. Der wird neuesten Umfragen zufolge inzwischen von 84 Prozent der britischen Öffentlichkeit unterstützt. Und als der vor dem Krieg zurückgetretene Labour-Parlamentsvorsitzende Robin Cook am Sonntag in einem Zeitungsbeitrag zum Rückzug der britischen Truppen aus dem Irak aufrief, „bevor noch mehr von ihnen umkommen“, ging seine Partei dermaßen massiv mit ihm ins Gericht, dass er sich noch am gleichen Tag im Radio kleinlaut korrigieren musste: Er meine natürlich, die Soldaten sollten schnell gewinnen und dann heimkehren.

Jenseits der militärischen Fragen hat die Regierung Blair noch weitergehende Probleme mit den USA. Beim jüngsten Gipfeltreffen des britischen Premiers mit dem US-Präsidenten in Camp David am vergangenen Donnerstag wurden zwei Differenzen offensichtlich: über die Rolle der UNO im Irak nach dem Krieg und die weitergehende Neuordnung des Nahen Ostens. Großbritannien meint, dass die UNO die Führung des Nachkriegsirak übernehmen sollte – die USA nicht. Blair verlangt größeres internationales Engagement zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts, um dem wachsenden Unmut in der arabischen Welt zu begegnen und positive Impulse für politische Reformen und Fortschritte in der gesamten Region zu geben. Diese Analyse wird von Bush nicht geteilt.

Dass Blair bei solchen Fragen gegenüber Bush den Kürzeren ziehen wird, ist klar. Seit dem Treffen mit Bush äußert sich der Premier nicht mehr so eindeutig über die künftige Rolle der UNO. Er weiß wohl: Nicht die Diplomatie, sondern die Särge, die aus dem Irak heimkehren, entscheiden darüber, ob der britische Premier diesen Krieg an der Heimatfront übersteht.

DOMINIC JOHNSON