Die Kunden der Zukunft

Wie wollen Migranten leben? Politik und Wohnungswirtschaft suchen auf einer Essener Tagung gemeinsam nach Lösungen

Das Leben von Zuwanderern in einer abgeschlossenen Community bietet dem Einzelnen Sicherheit

VON TIMO NOWACK

Wie wollen Migranten in den Städten leben? Unter dem Motto „Zukunftsicheres WohnLeben“ diskutierten Verteter aus Politik und Wohnungsunternehmen am Mittwoch in Essen über geeignete Integrationskonzepte.

„Integration muss kommunal gelebt werden“, sagte der Essener Bürgermeister Norbert Kleine-Möllhoff zur Eröffnung des Kongresses vom Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland und Westfalen und dem Städtetag NRW. „Gerade Städte und Gemeinden kommen nicht an dieser Realität vorbei.“

In NRW sieht diese Realität so aus: Die Bevölkerung wird immer weniger und älter, gleichzeitig aber bunter: 1998 betrug der Prozentsatz nicht deutscher Menschen zwischen 0 und 19 Jahren noch 18,6 Prozent - für das Jahr 2015 werden 27,5 Prozent prognostiziert und für 2040 sogar 40,4 Prozent. Dabei leben sie oft räumlich abgesondert in bestimmten Wohngegenden. „Stadtteile mit alten, reichen und deutschen Einwohnern stehen armen Stadtteilen mit einem hohen Anteil an jungen Ausländern gegenüber“, sagt Ralf Zimmer-Hegemann vom Institut für Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen des Landes NRW.

Als besondere Schwierigkeit der jungen Migranten sehen nahezu alle Kongressteilnehmer Sprach- und daraus resultierende Bildungsprobleme. „Erst durch Sprachbarrieren enstehen Parallelgesellschaften“, sagt Thomas Kufen vom Ausschuss für Migrationsangelegenheiten des Landtags. Eine systematische Sprachförderung müsse das wichtigste Ziel der Politik sein. Nur wer auch Deutsch beherrsche, könne aufsteigen und sich zum Beispiel selbständig machen.

Die meisten Zuwanderer leben abgeschlossen in ihrer Community, oftmals sind es soziale Brennpunkte mit einer hohen Arbeitslosigkeit. Auf der anderen Seite bietet diese ethnische Segregation aber auch Stabilität für den Einzelnen. „Um diese Chancen zu nutzen, müssen Kommunen und Wohnungswirtschaft kooperieren“, fordert Zimmer-Hegemann. Die Unternehmen hätten auch ein Interesse daran, denn „Migranten sind die Kunden der Zukunft“.

Auch Oliver Gabrian von der LEG Wohnen Düsseldorf nennt Migranten eine wichtige Kundengruppe. Die LEG besitzt in NRW über 62.000 Wohnungen und etwa 20 Prozent der Bewohner sind Migranten. Gabrian betont die soziale Verantwortung der Wohnungunternehmen für eine Integration. Um dem gerecht zu werden, gibt die LEG mehrsprachige Mieterinformationen heraus und stellt ausländisch stämmige Mitarbeiter für den Kontakt mit den Mietern ein.

Die Schwerpunkte für Integration bei den Kommunen nennt Anne Wehkamp, Ausländerbeauftragte der Stadt Solingen: Förderung der Sprachkompetenz, Berücksichtigung der Sichtweisen der Migranten, Einstellung von ausländischen Mitarbeitern und Förderung der interkulturellen Kompetenz der deutschen Mitarbeiter und Gewaltschutz für deutsche und ausländische Jugendliche. Dies sei für jede Kommune realisierbar: „Interkulturelle Orientierung innerhalb der Verwaltung erfordert keine Mehrarbeit, sondern eine andere Orientierung in der Arbeit.“

Diese Bemühungen bringt Bürgermeister Kleine-Möllhoff auf den Punkt: „Wir müssen von einem friedlichen Nebeneinander zu einem freundlichen Miteinander kommen. Vielfalt ist die einzige Chance, unsere Gesellschaft weiterzuentwickeln.“