Akustischer Energieschub

Einen musikalischen Kosmos zwischen Ambient und Free Jazz, Neuer Musik und Thrash-Metal in ein beeindruckend konzentriertes Trio-Format gegossen: „Steamboat Switzerland“ geben in der Astra-Stube ihr Hamburg-Debüt

Eine fesselnde Dramaturgie, wie sie bei dieser Musik selten anzutreffen ist

von MICHELE AVANTARIO

Sie sind zu dritt, kommen aus der Schweiz und nennen ihre Musik „Avantcore“. Und, nein, es handelt sich nicht um die in Hamburg durch diverse Auftritte seit Anfang der Neunziger bestens eingeführte Gruppe Alboth!, sondern um Steamboat Switzerland aus Zürich. Sie veröffentlichen erst seit 1998 Platten, haben gleichwohl schon (fast) überall in Europa gespielt – und geben dieser Tage ihr längst überfälliges Hamburg-Debüt.

Steamboat Switzerland setzen sich zusammen aus Dominik Blum an der Hammond-Orgel, dem Bassisten und Gitarristen Marino Pliakas und Drummer Lucas Niggli. Ihr musikalisches Universum erstreckt sich von Ambient, Jazz, Rock und Metal über freie Improvisation bis hin zur Interpretation von Neuer Musik aus der Feder von zeitgenössischen Komponisten wie Michael Wertmüller (Alboth!), Stephan Wittwer und Sam Hayden.

Wie all das scheinbar mühelos in kompakte Trio-Musik übersetzt werden kann, davon zeugen die bisherigen Alben der Band: Live, ihr Debüt, enthält zwölf mehrteilige Tracks, die, nahtlos ineinander übergehend, eine gigantische Avantgarde-Prog-Rock-Oper ergeben. Der Nachfolger Budapest ist der Mitschnitt eines eher ruhigen Steamboat Switzerland-Konzerts in besagter ungarischer Hauptstadt. Auf AC/DB (Hayden) wiederum, vor zwei Jahren zeitgleich mit Budapest beim Kölner Label Grob erschienen, spielt die Gruppe energischen Space-Free-Jazz und komplexen Hardcore, wie man ihn sonst allenfalls vom einschlägig viel gerühmten japanischen Ausnahme-Duo The Ruins zu hören bekommt.

So auffällig wie beeindruckend ist die Konzentration, mit der Steamboat Switzerland ihre Stücke aufbauen. Kaum merklich, quasi unbemerkt, verwandeln sie einen alleine stehenden Drone über Minuten in hyperventilierendes Durcheinander von ungeheurer Dichte, das dann – statt einfach nur zusammenzubrechen – allmählich und elegant verebbt. In diese geradezu organischen Bögen schlägt die Band nur manchmal, dann aber dafür umso effektiver, den einen oder anderen Haken. Aus einer Staccato-Miniatur wird scheinbar plötzlich astreiner –Thrash Metal, dann wieder versinkt ein Bombast-Rock-Pattern in tobendem Lärm, als hätte man Deep Purple zu viel Speed verabreicht.

Dabei wirkt nichts ungeplant oder unbeabsichtigt. Die Einsätze und Beiträge jedes einzelnen Mitglieds, Schwankungen in Tempo, Dynamik und Lautstärke, Stop-&-Gos, Ex- und Implosionen, Pausen oder kurze Soli – alles folgt einer ungemein fesselnden Dramaturgie, wie sie bei dieser durchaus schwer zugänglichen Art von Musik ziemlich selten anzutreffen ist.

Und selbst wenn das Trio einfach nur seine Instrumente ausklingen lässt, liegt immer noch unerträglich viel Spannung in der Luft. Bleibt zu hoffen, das unsere kleine Lieblingsschachtel an der Max-Brauer-Allee diesen akustischen Energieschub heil übersteht.

Donnerstag, 21 Uhr (pünktlich!), Astra-Stube (danach ab 23 Uhr: „Metroheadmusic for Metroheadpeople“)