Der rechte Wassermann

Der Verein „Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg“ macht normalerweise nicht durch Skandale auf sich aufmerksam. Präsident und Hobbyangler Manfred Lüttke, 73 Jahre alt, CDU-Mitglied, kümmert sich etwa um Einspeisevergütungen für Ökostrom. Oder ums Dritte Reich. Genau genommen um Dietrich Bonhoeffer, einen der wenigen evangelischen Theologen, die sich aktiv gegen das Nazi-Regime stellten, wofür Bonhoeffer am 9. April 1945 hingerichtet wurde.

„Dietrich Bonhoeffer wird als Widerstandskämpfer gefeiert, war aber aufgrund seiner intensiven Kontakte mit der deutsch-feindlichen englischen Kriegspolitik (…) eher ein ganz gewöhnlicher Landesverräter“, ließ Lüttke verlauten. Der Anlass: Die Wasserkraftszene macht derzeit eine Art Schisma durch. Baden-Württemberg trat 2006 aus dem Bundesverband aus, nun folgte Hessen. Worauf Anton Zeller, Vorsitzender des bayerischen Wasserkraftverbandes, den Theologen in einem Schreiben an Lüttke zitierte: „Optimismus ist eine Lebenskraft – eine Kraft, die die Zukunft niemals dem Gegner überlässt.“ Mit Lüttkes bekannter Replik.

Lüttke erzählt der Stuttgarter Zeitung freimütig, er lese die Rechtspostille Junge Freiheit. Bei seiner Aussage über Bonhoeffer habe er sich auf Literatur verlassen, die „nicht mehr ganz zeitgemäß“ sei. Das Werk stammt von Gerhard Frey, Vorsitzender der DVU. Alles nicht so wild, denn nun hat er sich entschuldigt: Am Freitag vergangener Woche auf der Hauptversammlung seines Verbandes sprach er von einem „saublöden Spruch“ – anschließend wählten ihn die Delegierten erneut zu ihrem Präsidenten. Männlich wirkt Lüttke mit seinen stechenden braunen Augen. So einen schiebe man schon mal ins rechte Eck, sagt ein Vertrauter. Es sei eine „durchsichtige Kampagne, die da läuft“, Lüttke selbst wittert „Verschwörer“.

Einen großen Kreis bilden diese „Verschwörer“: Der Landesbischof Otfried July etwa, der Grünen-Parlamentarier Franz Untersteller, der sein Amt im Beirat des Verbandes niedergelegt hat, oder die Politik, die fast geschlossen die Hauptversammlung boykottierte. Die SPD fordert einen Parteiausschluss Lüttkes. Die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) befand, eine vorbehaltlose Entschuldigung sehe anders aus. Zudem stellte Karl Heinz Römer, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke, Strafanzeige gegen Lüttke. Römer hatte dessen Äußerungen erst öffentlich gemacht. Lüttke antwortet nun mit Gegenanzeigen. Auch gegen die Person, die behauptet, in seiner Wohnung hänge eine Reichskriegsflagge. INGO ARZT